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FC St. PauliPräsident in Ausbildung

Vor den Wahlen zum neuen Präsidium wird der designierte neue Präsident Stefan Orth vorsorglich demontiert - eine Lage, in die er sich durch angebliche Verhandlungen über eine Partnerschaft mit dem englischen Erstliga-Verein FC Fulham selbst gebracht hat.

Steht sich selbst im Weg: Stefan Orth. Bild: dpa

Die Debattenkultur beim FC St. Pauli war schon mal vitaler. Als sich Anfang vergangener Woche im Vorfeld der Wahlen zum Präsidium und Aufsichtsrat, die am 14. und 15. November stattfinden, Präsidentschaftskandidat Stefan Orth in der Millerntor-Südtribüne den Mitgliedern präsentierte, durften diese Fragen stellen. Sie hatten aber keine.

Die Zurückhaltung mutet seltsam an, denn es ist noch keinen Monat her, da fabulierte der derzeit noch kommissarisch regierende Orth in der Bild-Zeitung von einer bevorstehenden Kooperation mit dem Premier-League-Verein FC Fulham und anregenden Gesprächen mit dessen Vizepräsidenten Michael Cole. Verwunderlich war daran, dass der Londoner Klub - ein Spielzeug des Kaufhaus-Milliardärs Mohammed Al Fayed - mit dem Millerntor-Klub nichts gemeinsam hat. Noch größer war die Irritation, als eine außergewöhnlich weitschweifige Mail zu kursieren begann, die der erwähnte Cole - ein früherer BBC-Journalist - an die Bild geschickt hatte. "Ich hatte noch nie das Vergnügen, Herrn Orth zu treffen oder zu sprechen", schrieb der Funktionär, und daher gebe es auch keine Pläne für eine Zusammenarbeit. Jene, die Orth wohlgesonnen sind, sprachen daraufhin von einem "Anfängerfehler" - als sei der Präsidentenposten ein Ausbildungsplatz.

Weil sich die für Orth peinliche Mail als Wahlkampfmunition entpuppte, zweifelten kluge Köpfe sogar die Authentizität des Schreibens an. Sie monierten, dass der Fulham-Briefkopf fehle. Das liege daran, dass er die Mail von seinem privaten Computer geschrieben habe, sagt Cole auf Nachfrage. Dass die Eigendynamik der Mail nicht von einflussreichen Kräften gedämpft wurde, passt ins Bild. Schon öfter war Unmut über Orth nach außen gedrungen. Mal ging es um seinen Wunsch nach persönlichen Autogrammkarten, mal um seine nicht immer geglückten Versuche, auf gesellschaftlichem Parkett eine gute Figur abzugeben.

Orth war von Anfang eine Notlösung. Die Gemengelage ist ein Resultat der Wirren im Mai, als Corny Littmann kurzfristig vom Amt des Präsidenten zurücktrat. Der Aufsichtsrat musste blitzschnell einen neuen Boss aus dem Hut zaubern. Marcus Schulz, der Favorit des Vorgängers, hatte sich durch tollpatschige Hinterzimmerpolitik selbst verbrannt, und der stets präsidiabel auftretende Bernd Spies, ein weiterer Vize, kam nicht in Frage, weil er als Headhunter ständig durch die Weltgeschichte jettet. Der bodenständige Textilunternehmer Orth hingegen hob die Hand.

Dass das kommende Präsidium - weiter dabei sein wird neben Spies auch Gernot Stenger, neu zur Wahl stehen der Controller Tjark Woydt und Ex-FC-Spieler Jens Duve - als Team stark genug ist, um die Übergangsphase zu meistern, in der sich der Klub befindet, bezweifelt kaum jemand. Umso rätselhafter, dass es einigen Spitzenkräften nicht gelingt, mit ihren Restzweifeln an Orth hinterm Berg zu halten. Zumal es dringendere Dinge gibt, etwa den Antrag, Corny Littmann zum Ehrenpräsidenten zu wählen. Der steht am 14. November auf der Tagesordnung. Orth wird kaum an Profil gewinnen, wenn ihm beim Repräsentieren der ewige Überpräsident in die Quere kommt.

Die Koalition gegen einen Ehrenpräsidenten reicht vom Präsidium über den Aufsichtsrat bis in die Fanszene - zumal Littmann, der große Untote, als Geschäftsführer der FC St. Pauli Service GmbH ohnehin noch Einfluss hat. Außerdem hat die Idee, für die auf der Versammlung mit Trainer Holger Stanislawski kein ganz unwichtiges Klubmitglied werben wird, den Schönheitsfehler, dass sie mit der Satzung nicht vereinbar ist.

Vergleichsweise gering ist da noch das Konfliktpotenzial einzuschätzen, das der wahrscheinliche Einzug von Ex-Vize Schulz in den Aufsichtsrat mit sich bringt: Er wird künftig wohl jene Präsidiumsmitglieder kontrollieren, mit denen er vor wenigen Monaten aneinander geriet.

Es ist paradox: Sportlich steht der FC St. Pauli gut da, aber die beiden Mitgliederversammlungen könnten so turbulent verlaufen wie in Krisenzeiten.

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