FC Chelsea besiegt Liverpool: Regen, Schlamm und Tränen
Der FC Chelsea erreicht durch ein 3:2 gegen Liverpool das Finale der Champions League. Chelsea-Coach Grant sinkt auf die Knie, zum Helden wird aber ein anderer gekürt.
LONDON taz Als es vollbracht war, zog Avram Grant sein Jackett aus und ging auf die Knie. Der Israeli schien auf dem Rasen von Stamford Bridge zu beten. Der Independent spekulierte bösartig, dass die Danksagung des Trainers des FC Chelsea seinem Freund und Gönner Roman Abramowitsch galt. Doch der Chelsea-Eigentümer saß am Mittwoch gar nicht gegenüber in der VIP-Loge. Er traf in Moskau Präsident Wladimir Putin. Vielleicht verabredeten sich die beiden schon mal vorsorglich zur großen Sause nach dem Champions-League-Finale in der russischen Hauptstadt am 21. Mai, wo Chelsea auf Manchester United trifft.
Die große Geste war höchst ungewöhnlich für Grant. Chelseas Trainer wirkte mit seinen rudimentären Englischkenntnissen und farblosen Auftritten bisher arg fehlbesetzt zwischen all den Superstars und Meistertrainern in der Premier League. Doch der hart erkämpfte Triumph über den FC Liverpool, 3:2 nach Verlängerung, hatte auch bei ihm gewaltige Emotionen freigelegt. Irgendetwas musste er hinterher einfach tun. "Es war kein einfacher Tag für mich, denn in Israel ist heute der Holocaust-Gedenktag", erklärte Grant später mit brüchiger Stimme seine Demutsbekundung. "Ich habe an meinen Vater gedacht. Er hat den Holocaust überlebt und seinen Vater und mehrere Familienmitglieder mit den eigenen Händen begraben. Ich bin sehr stolz darauf, was wir erreicht haben."
Grant meinte es ehrlich. Und gut. Es lässt sich sicher darüber streiten, wie und ob so ein aufwühlender Halbfinaltriumph genau mit der traurigen Erinnerung an den Massenmord durch die Nazis zusammenpasst, aber im Vereinigten Königreich stellt sich diese Frage nicht. Der Fußball wird hier ja traditionell als eine Sache verklärt, die (frei nach Liverpools Trainer Legende Bill Shankly) bedeutender als Leben und Tod ist. Pathos sehen die Zuschauer hier noch viel lieber als feine Tricks. "Natürlich schön für die Zuschauer", sagte ein nach 120 Minuten etwas erschöpfter Michael Ballack, "mehr ging nicht." Am Mittwoch, in einer Nacht des Regens, des Schlamms und der Tränen, fand das Lieblingsspiel der Engländer mal wieder ganz zu sich.
Grant verdiene nun endlich den Respekt der Öffentlichkeit, forderte Chelseas Kapitän John Terry. Aber die Rolle des blauen Retters nahm schon ein anderer ein. Frank Lampard verwandelte den entscheidenden Elfmeter und wurde - nach dem publizistisch ausgeweideten Tod seiner Mutter in der vergangenen Woche - zum Helden. "Frank ist ein sehr tapferer Mann", sagte auch Grant, "er stand seiner Mutter sehr nahe. Es war seine Entscheidung, zu spielen, und er hat extrem gut gespielt." Gut genug jedenfalls, um in die Knie zu gehen.
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