FC-Barcelona-Krise ist vorbei: Messi spielt bei den Ramones
Zehn Siege in Folge. Barça spielt endlich wieder großartig. Daran haben die Stars Messi, Neymar und Suárez großen Anteil – aber auch Trainer Luis Enrique.
BARCELONA taz | Marc-André ter Stegen berührte in der 20. Minute zum ersten Mal den Ball. In der 39. Minute musste er zum ersten Mal klären. Kurz vor dem Halbzeitpfiff verhinderte er grandios ein Gegentor, kurz nach der Pause fing er sich einen haltbaren Fernschuss ein. „Mein Fehler“, sagte der Torwart nach dem 3:1 (1:0) des FC Barcelona im Halbfinalhinspiel des spanischen Pokals gegen Villarreal.
Aber von dem wohl anspruchsvollsten Fußballpublikum der Welt gab es keine Pfiffe. Nicht mal ein Raunen. Stattdessen bei nächstbester Gelegenheit aufmunternden Applaus. „Alles ist gut, denke ich“, so der junge deutsche Torwart. „Die Leute haben trotzdem gesehen, was ich kann.“
Alles ist gut: Auf zehn Siege in Folge blickt Barça nun zurück. Der Serie wohnt ein fast unwirklicher Zauber inne, weil sie von aufregendem Fußball getragen wird und weil sie so unerwartet kam – erbaut auf den Ruinen eines schleichenden Verfalls in den letzten Jahren und eines großen Knalls zu Jahresbeginn.
Wie sich die Verhältnisse in Spanien seitdem verschoben haben, verdeutlichen die Spiele gegen Atlético Madrid: Das vor Weihnachten noch dominante Real Madrid hat 2015 in drei Versuchen (Liga und Pokal) gegen den Stadtrivalen ein Remis bei 2:8 Toren fabriziert. Barça hat Atlético im selben Zeitraum dreimal geschlagen. Ein Punkt fehlt in der Liga noch auf Real. Gefühlt führt man schon haushoch.
Der Mensch hat nun mal das besondere Talent zur selektiven Wahrnehmung: von ter Stegen blieb bei den Fans im Camp Nou an diesem Abend nicht der Fehler hängen, sondern sein modernes, technisch exzellentes Torwartspiel. Oder Luis Suárez, den feierten sie gegen Villarreal wie keinen anderen, obwohl er keinen Treffer erzielte. Wieder nicht. Erst sechs Tore in 20 Spielen von einem 80 Millionen Euro teuren Mittelstürmer. Aber wieder hat er gekämpft, die gegnerische Abwehr bearbeitet und das Chaos in ihr provoziert. „Suárez, Suárez“, riefen die Anhänger in der 41. Minute. Auch wenn er das 1:0 von Lionel Messi gerade nur vorbereitet hatte.
Drei Tenöre verändern den Stil
Messi, variabel wie nie, torgefährlich wie immer und insgesamt in brillanter Form, gilt als Hauptgrund für die Renaissance, so wie er vorher auch im Mittelpunkt der Krise stand. Neymar ist ein zweiter Faktor, auch wenn er gegen Villarreal einen ihm von Messi überlassenen Elfmeter verschoss. Gemeinsam haben die beiden 2015 schon 20 Tore erzielt, und zusammen mit dem rauflustigen Suárez firmieren sie als drei Tenöre oder MSN, die letztlich auch Barças Stil verändert haben: vom Mittelfeldfußball zum Stürmerspiel.
Bei Luis Enrique darf – anders als noch unter Pep Guardiola – auch der Gegner herausgelockt und ausgekontert werden. Der neue Trainer verlegt das Spiel bewusst in die Strafräume: ein Tor mehr als seine MSN müssen die anderen erst mal schießen. Von den einst so kongenialen Zwergen Xavi und Iniesta spielt bloß noch einer, das dafür immer besonders hochtourig. Und die letzten Gelegenheiten zum Verschnaufen nimmt das radikale Pressing. Die Zeitung As schreibt: „Luis Enrique hat es geschafft, ein barockes Kammerorchester in die Ramones zu verwandeln“.
Die Combo mag die Fans wieder angefixt haben, und womöglich gewinnt sie am Saisonende ein paar große Preise. Nur das würde dem Präsidenten Josep Maria Bartomeu wohl Chancen auf eine Wiederwahl geben. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung beim Neymar-Transfer muss der Funktionär heute als Beschuldigter vor dem zweithöchsten Gericht des Landes aussagen.
Bartomeu wittert eine Verschwörung: „Es gibt Kräfte in Madrid, denen es nicht gefällt, dass Neymar von einem katalanischen und katalanistischen Klub verpflichtet wurde.“ Gegen solche Theorien kommen keine Ramones an und nicht mal die drei Tenöre.
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