piwik no script img

FC Aberdeen vs. Bayern MünchenDie Rache der Zahnlosen

Der gebeutelte FC Aberdeen freut sich über das Kommen der Bayern. Man beschwört die Vergangenheit und will dem Gegner die Arroganz austreiben.

Aberdeen-Kicker in Orange: hier gegen Panathinaikos Athen. Bild: dpa

ABERDEEN taz Die speziell angefertigten "Munich Uefa"-Teetassen gehen im Vereinsshop im Pittodrie-Stadion gut weg, die "European Tour 2008"-T-Shirts noch viel besser. Zeitlos schön sind diese Hemdchen für die Aberdeen-Fans, weil auf ihnen nichts über den Besuch von Ottmar Hitzfelds Männern am Donnerstag (18.50 Uhr, ProSieben) steht, dafür aber das Ergebnis des glorreichsten Spiels in der Vereinsgeschichte: "1983: Aberdeen 3 - 2 FC Bayern Munich".

Auf dem Weg zum Triumph im Europapokal der Pokalsieger schalteten die Dons vor 25 Jahren die favorisierte Mannschaft von Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Dieter Hoeneß sensationell im Viertelfinale aus. Das Hinspiel im Olympiastadion war torlos geblieben, bevor man im Pittodrie nach zweimaligen Rückstand (Münchner Torschützen: Klaus Augenthaler und Hansi Pflügler) die Wende schaffte. "Wir wussten, dass es schwer werden würde, als wir sahen, dass von den Schotten keiner Zähne im Mund hatte", hat (der nicht eingesetzte) Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff gesagt; Manager Uli Hoeneß, der von 1981 bis 1985 gleich fünf Mal hintereinander fatale Europapokalniederlagen gegen britische Teams auf der Bank ertragen musste, spricht heute ehrfürchtig von einem "fantastischen Spiel im Regen von Aberdeen".

Obwohl man sich im Nordosten Schottlands wenig Hoffnung auf eine Wiederholung der Heldentat macht, empfindet man den FC Bayern als regelrechtes Glückslos. Ganz Aberdeen fiebert dem "größten Europapokalspiel der vergangenen 20 Jahre" (The Scotsman) entgegen, denn mit den Münchnern kommt die goldene Vergangenheit zurück in die Stadt, zumindest für einen Tag. Mehr als schöne Erinnerungen sind von den erfolgreichen 80er-Jahren, als man unter dem jungen Alex Ferguson das Monopol der Glasgower Vereine durchbrach und Spitzenspieler des schottischen Fußballs wie Alec McLeish und Gordon Strachan beschäftigte, nicht übrig geblieben. Sportlich und wirtschaftlich trotten die Dons in der Scottish Premier League meist nur hinterher, momentan belegt man den 5. von 12 Tabellenplätzen. Trainer Jimmy Calderwood, 52, kommt zunehmend unter Druck: Er lege mehr Wert auf seinen Teint als auf gezielte Trainingsarbeit, murrt man.

In Aberdeen, der durch Nordseeöl zu Wohlstand gekommenen 200.000-Einwohner-Stadt, sind die Menschen etwas reservierter als im Süden des Landes. Aus Sicht der Fans aber hält sich der Vereinsbesitzer Stewart Milne doch zu sehr zurück: Der schwerreiche Bauunternehmer investiert trotz eines Vermögens von gut 600 Millionen Euro kaum in den Verein, sondern garantiert nur Bankverbindlichkeiten von 16 Millionen Euro. Mit dem 22.000 Zuschauer fassenden Stadion direkt an der Nordseeküste ist man ohne zusätzliches Geld nicht konkurrenzfähig. Im Winter verlor der FC zwei Stammspieler an zwei Teams in der zweiten englischen Liga, weil dort weitaus mehr gezahlt wird. Innenverteidiger Zander Diamond ist mit 260.000 Euro Jahresgehalt der Bestverdiener.

Zuletzt setzte es vor der heimischen Kulisse gegen Dundee United und Celtic zwei empfindliche Niederlagen mit insgesamt neun Gegentoren. Gerade in der Abwehr fallen dem experimentierfreudige Calderwood keine Lösungen ein: Er hat es schon mit 16 verschiedenen Spieler-Kombinationen in der Innenverteidigung probiert, aber in 37 Saisonspielen 53 Tore kassiert. Am Donnerstag fehlen ihm zudem fünf Stammspieler. "Ich bin etwas deprimiert", sagt er.

"Eine der besten Mannschaften in der Welt", hat Calderwood als Spion auf diversen Bundesligatribünen zuletzt gesehen. Der seriöse Herald beschrieb Bayern als einen "Verein des immerwährenden Erfolges, mit der Art von Spielern, die so arrogant sind, dass sie wahrscheinlich nicht mal für eine schwangere Frau ihren Sitzplatz im Bus räumen würden". Calderwood will trotzdem auf Sieg spielen. Er setzt auf die "elektrische Atmosphäre", die den Spielern gegen den FC Kopenhagen im Dezember zum bisher einzigen Sieg im Uefa-Pokal verhalf. Nach dem 4:0 wurde in der Stadt tagelang gefeiert. "Wir wollen wieder Geschichte schreiben", sagt Calderwood. Und neue T-Shirts bedrucken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!