: FAZ-Mag: Willy Millosevic!
(64) Während der Trauerfeierlichkeiten für den rheinländischen Karnevalsdiktator Willy Millosevic kam es zu schweren Tumulten. Hunderttausende von Faschingsfreischärlern liefen zu den Fahnen und feierten ihr Vorbild ein letztes Mal. „Willy Millosevic, du bess ne leeve Jong“, sangen die Kölner, hakten einander unter und bildeten Schunkelkohorten. Als jedoch Wolfgang „de Wolfjang“ Niedecken sich selbst als Nachfolger ins Spiel bringen wollte, schlug die Stimmung um. Niedecken, der über die innige Verbindung von Karneval und Wahlrecht sprach und das „rood-jrüüne Projäckt“ beschwor, für das man „wählen jonn“ müsse, „jrad alls Frau“, wurde mit dem Millosevic-Schlager „Veel zo schlapp von zo veel BAP“ ausgebuht. Noch schlimmer erging es Konstantin Wecker: Als der bayerische Büßerbarde versuchte, sich durch das Absingen seines „Willy“-Liedes an die Trauergemeinde anzuflanschen, wurde er von rheinländischen Jeckenverbänden nahezu aufgerieben. „Nit för Riefkooche!“, rief Wolfgang Niedecken in Sängerloyalität, aber auch er ging in einem Hagel eigener oller Kamellen unter. Im Berliner Reichstag wurde das menschlich tief berührende Schauspiel für die vielen traurigen Rheinländer im Exil live übertragen.
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