FALSCHE SORGEN UM SPANIENS LEGALISIERTE EINWANDERER : Nicht alle wollen nach Deutschland
Die deutsche Bundesregierung ist alarmiert: Ohne die EU-Kollegen zu konsultieren, hat Spanien etwa 700.000 illegale Arbeiter mit einer Aufenthaltserlaubnis versehen. Hinzu kommen rund 400.000 Familienangehörige. Das macht Angst – besonders in den Niederlanden und in Deutschland fürchten Politiker nun einen ungebetenen Massenandrang. Denn es scheint doch so nahe liegend, dass die Exillegalen den neuen Status nur ausnutzen, um durch die halbe EU zu reisen und sich nach profitableren Jobs als in Spanien umzusehen.
Diese Sorge der Bundesregierung ist bemerkenswert naiv, offenbart sie doch einen ungebrochenen Glauben an den Visumstempel. Ob mit oder ohne Aufenthaltsgenehmigung: Auch bisher war den Illegalen in Spanien möglich, über die Grenzen zu vagabundieren – verzichten doch die 15 Mitgliedsländer des Schengen-Abkommens ausdrücklich auf Grenzkontrollen untereinander. Wer einmal drin ist, bleibt drin, auch ohne anerkannten Status. Die Invasion hätte also längst stattfinden können – doch sie blieb aus.
Es passt zwar nicht zum deutschen Selbstbild, aber die Illegalen interessieren sich weitaus stärker für Spanien als für Deutschland. Das hat sich auch bei der Visa-Affäre gezeigt: Kaum hatten die Ukrainer die deutsche Grenze passiert, reisten die allermeisten gen Süden. Denn Wanderarbeiter folgen Jobs, nicht Stempeln. Und in Spanien gibt es massenhaft Arbeit für Niedrigqualifizierte, während hier schon ein paar tausend illegale Fleischer für Aufsehen sorgen.
Das erklärt sich auch durch die unterschiedliche Exportstruktur: Während Deutschland auf teure, hoch technisierte Produkte setzt, bietet Spanien vor allem billige Früchte und billigen Strandurlaub. In diesen Branchen zählt jeder Lohn-Cent. Selbst konservative Spanier – und auch Arbeitslose – tolerieren daher, dass die Fremden zu Dumpinglöhnen Betten machen und Erdbeeren pflücken. Zudem wächst die spanische Wirtschaft noch immer rasant. Für die Exillegalen gibt es daher keinen Grund, Spanien zu verlassen. Kanzler Schröder kann sich beruhigen. ULRIKE HERRMANN