■ Juhnke und die Ärztekammer: Eyn schwäre sucht
Realität, so sagt ein irisches Sprichwort, ist eine Illusion, die durch den Mangel an Alkohol zustande kommt. Ein Trauma, unter dem der Berliner Lieblingskomödiant Harald Juhnke im Augenblick genausowenig leidet wie seine gerontophile Geliebte Christiane, die den BZ-Pseudoanalytikern rund um die Uhr ihr Seelchen öffnet: Die 18jährige will Schauspielerin werden, läßt aber gleichzeitig ihre Premiere als Frau Holle platzen, weil sie lieber öffentlich über die Wirkung ihres zu kleinen Busens im weißen Hochzeitskleid nachdenkt. Derweil beschäftigt sich Juhnke damit, seine Seele frei und naß zu machen. Mal will er sein eigenes Theater aufmachen, um im nächsten Moment damit zu sympathisieren, sich im Stile von Dean Martin die schwarzen Getränkemarken zu verpassen.
Wie auch immer, Harald Juhnke ist beliebt. Nicht nur bei der BZ, die es stets schafft, die Ethanol-Exzesse des Trunkenboldes so gründlich zu dokumentieren, daß man meinen könnte, der Trinker habe einen Exklusivvertrag. Womöglich einen, der ihn vertraglich verpflichtet, gelegentlich rückfällig zu werden. Durch alle Bevölkerungsschichten gehen jetzt die Sympathiebeteuerungen. Wen wundert es, daß die Juhnkeschen Feuchtphasen sogar dem Chef der Ärztekammer betroffene Statements entlocken? Schließlich ist der Saufteufel seit 1551 als „eyn schwäre sucht“ medizinisch anerkannt und einer zeitgenössischen Definition gemäß genau dann krankhaft, wenn „man mehr in den Leip geusst, denn die notturfft fordert“. „Wir müssen hinsehen“, fordert Ärztekammer-Chef Ellis Huber ganz zeitgemäß. Wie recht er hat: Schließlich läßt uns die Bild-Zeitung oder die BZ gar keine andere Chance. Das Hinsehen hatte noch andere Folgen: gestern hat sich Harald Juhnke zur Entziehungskur ins Krankenhaus begeben. Peter Lerch
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