: Exzessiver Gottsucher
Michael Batz inszeniert Ernst Barlachs Drama „Der Graf von Ratzeburg“ als szenische Lesung in St. Katharinen
„Ich habe keinen Gott, sondern Gott hat mich.“ Tief müsste man in den theologischen Diskurs eintauchen, wollte man den Ausruf Heinrichs, des Protagonisten von Ernst Barlachs Drama Der Graf von Ratzeburg, ganz erfassen. Doch vielleicht reicht zunächst die konkrete Anschauung, jetzt zu erleben in einer szenischen Lesung aus dem kaum bekannten expressionistischen Stationendrama, das – wie Goethes enzyklopädischer Faust II – als eigentlich unspielbar gilt.
Der Hamburger Künstler und Journalist Michael Batz hat das Werk aus dem Nachlass des Künstlers anlässlich der in St. Katharinen derzeit laufenden Barlach-Ausstellung gekürzt und gemeinsam mit 15 SchauspielerInnen umgesetzt. „Es ist einer der extremsten Texte Barlachs, der von der radikalen Pilgerschaft eines Grafen handelt, der alles abwirft, um frei zu sein“, sagt Batz über den Protagonsiten, der einsiedlergleich auf Gottsuche geht; die Führung der Regierungsgeschäfte hat er seinem Bruder Jos überlassen.
Vom Haben zum Sein zu gelangen ist Heinrichs Wunsch, vor allem: einen Gott zu finden, mit dem er ohne Vermittlung Außenstehender kommunizieren kann. Keinesfalls möchte der adlige Pilger daher dem Kind Christoffer (alias Christophorus) dienen. Genauso wenig unterwirft er sich denen, die die „wahre Lehre“ gefunden zu haben glauben. In Lauenburg, Smyrna, am Sinai und anderswo spielt das bereits 1927 entstandene, 1951 uraufgeführte Stück, dessen Ortswechsel einzig durch Transzendenz motiviert sind; ein sichtbarer Plot formt sich aus dem Mosaikfeld nicht.
„Heinrich ist ein Fundamentalist der Auflösung“, sagt Batz. Grund genug, ein solch intensives Stück – in Zeiten allgemeiner Rezession und der Relativierung bzw. Auflösung materieller Werte – wieder zu spielen.
PETRA SCHELLEN
Sa, 24.5., 18 Uhr, St. Katharinen