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Exxon, der Sündenbock und das Öl

Der Kapitän der „Exxon Valdez“ steht in Alaska als Privatperson vor Gericht / Der Tanker hatte die größte Ölkatastrophe der USA verursacht / Entscheidend wird sein, ob sich die Sündenbock-Variante durchsetzen oder aber die Ölindustrie in die Mangel genommen wird  ■  Aus Washington Rolf Paasch

War es Alkohol am Steuerruder? Oder glitt die 330 Meter lange „Exxon Valdez“ am 24.März vergangenen Jahres nur wie üblich außerhalb der Schiffahrtslinie durch das eisige Wasser des „Princz-William-Sund“, ehe sie dann auf Grund lief? Um genau diese Frage geht es in dem Prozeß gegen Kapitän Joseph J. Hazelwood, der Anfang Februar im Gerichtsgebäude von Anchorage im US-Bundesstaat Alaska begonnen hat.

Dort wird eine Jury in den nächsten Wochen nach Anhörung von 112 Zeugen und Experten entscheiden müssen, ob es in dem gerichtlichen Nachspiel zur größten Ölkatastrophe in den USA einen Sündenbock geben wird, oder ob das Tankerunglück vor der Küste Süd-Alaskas andere Ursachen hatte als nur einen betrunkenen Kapitän.

Der glatzköpfige und schnauzbärtige Joseph J. Hazelwood jedenfalls sitzt in diesen Tagen zusammengekauert auf der Anklagebank und läßt das Spiel von Staatsanwalt und Verteidigung schweigsam über sich ergehen. Für Staatsanwalt Brent Cole ist völlig klar, warum im letzten März 45 Millionen Liter des für Kalifornien bestimmten Roh -Petroleums in den Sund gelaufen sind, warum 1.700 Küstenkilometer Alaskas verölt wurden und warum 1/4 Million Seevögel sowie 1.000 Seeotter kläglich verenden mußten.

Kapitän Hazelwood, so die Anklage, habe noch Stunden vor der Abfahrt in einer Bar in Anchorage den Wodka nur so in sich hineingekippt. Als der Supertanker dann schließlich auslief, habe sich der Kapitän in seine Koje zurückgezogen und einen unerfahrenen Schiffsoffizier auf der Kommandobrücke machen lassen.

Verteidiger Dick Madson sah dies in seinem anfänglichen Plädoyer selbstverständlich ganz anders. Die paar Wodka habe sein Mandant lange genug vor der Abfahrt zu sich genommen; und Hazelwood habe einen ausgebildeten Offizier mit genauen Instruktionen zum Umsteuern des gefährlichen „Bligh Reef“ auf der Brücke zurückgelassen, was durchaus übliche Praxis sei. Die von der Verteidigung in der ersten Prozeßwoche als Zeugen präsentierten Besatzungsmitglieder bestätigten seine Version. Hazelwood, dessen Alkoholpegel zehn Stunden nach dem Tankerunglück über dem Limit der Küstenwache aber unter der in Alaska gültigen Grenze lag, sei an jenem Abend in einem durchaus steuerfähigen Zustand gewesen.

Des Kapitäns ehemaliger Arbeitgeber hält sich bei dem Prozeß bisher im Hintergrund. Hazelwood, der gleich nach der Ölkatastrophe von Exxon (Esso) gefeuert wurde, stehe hier lediglich als Privatperson vor Gericht heißt es beim Konzern. Zwar käme ein der Trunkenheit überführter Kapitän dem Ölgiganten als Sündenbock recht gelegen. Doch könnte Exxon, nach Meinung einiger Rechtsexperten, für die „grobe Fahrlässigkeit“ seines Kapitäns unter Umständen haftbar gemacht werden. Hazelwood selbst droht eine maximale Haftstrafe von sieben Jahren Gefängnis.

Spätestens nach dem Urteil gegen ihn wird Exxon jedoch in Alaska wieder in die Schlagzeilen rücken. Die Behörden des 50. US-Bundesstaates („The Last Frontier“) haben bereits angekündigt, sie würden Exxon vor Gericht bringen, falls der Konzern im Frühjahr nicht seine im September aus Witterungsgründen abgebrochenen Reinigungsanstrengungen zur „Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Natur“ wiederaufnimmt.

Nachdem die bisherige Reinemacheaktion der Küste Südalaskas mit 12.000 Leuten, 1.400 Schiffen und 85 Flugzeugen Exxon bereits zwei Milliarden Dollar gekostet hat, hat sich Exxon zu einer Fortsetzung der Umweltreinigung noch nicht geäußert. „Von sich aus tun die hier keinen Handschlag mehr“, erklärte der regionale Leiter der Umweltbehörde Alaskas, Bill Emerill gegenüber der taz. Dabei seien noch rund 100 Strände von fast 200 km Länge schwer verschmutzt. Und auch bei den bereits abgesprühten Küstenstreifen seien neue Verunreinigungen durch wieder angespültes Öl festzustellen.

Ob die von Exxon gezahlten und angebotenen Kompensationsgelder für die Betroffenen wirklich ausreichend sein werden, läßt sich derzeit noch nicht feststellen. „Nach außen hin erwecken sie ja den Eindruck, als würden sie die Sache mit den Entschädigungen ernst nehmen“, beschreibt Hild Sanstede im Greenpeacebüro von Anchorage die Haltung des Ölkonzerns. Und einige Bootsbesitzer werden an der Katastrophe sogar verdient haben, indem sie ihre Kähne an die Säuberungstruppen vermieteten.

Viele der Fischer befürchten jedoch längerfristige Verluste durch die Ölkatastrophe. Erst in vier bis sechs Jahren, wenn die Lachse des vergangenen Sommers zum Laichen in den Sund zurückkehren, werden sich die ökologischen und ökonomischen Folgen des Tankerunglücks offenbaren.

Eines aber hat sich in Alaska nach der Ölkatastrophe des letzten Jahres zum Positiven verändert. Das Interesse der Bevölkerung Alaskas an der Aufsicht und Kontrolle ihrer Ölindustrie, so Hild Sanstede von Greenpeace, habe enorm zugenommen.

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