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ExtremwetterkongressErderwärmung ist schneller als erwartet

Auf dem Extremwetterkongress in Bremerhaven warnen Experten vor einem schnellen Klimawandel. Sie fordern Solarstrom aus Afrika.

Überschwemmungen wie hier in Brasilien werden zunehmen. Bild: dpa

BERLIN taz "Wenn die Wirtschaftskrise vorbei ist, ist der Klimawandel immer noch da." Mit dieser Warnung eröffnete am Donnerstag Frank Böttcher, Leiter des veranstaltenden Instituts für Wetter- und Klimakommunikation (IWK) den "Extremwetter-Kongress" in Bremerhaven. Bis zum Samstag diskutieren 400 Experten die Auswirkungen des Klimawandels.

Der Grund für Böttchers Warnung: Die Erderwärmung schreitet deutlich schneller voran, als es die bisherigen Modelle vorhersagen. "In der Arktis erleben wir derzeit einen dramatischen Rückgang der Eisflächen und Eismengen", so Böttcher. "Die letzten beiden Sommer brachten das Eis derart zum Schmelzen, dass Flächen ohne Eis waren, die so groß sind wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien zusammen." Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre dreimal schneller steigt als vom Weltklimarat IPCC prognostiziert.

Durch die Wirtschaftskrise würden die Treibhausgasemissionen in diesem Jahr zwar um bis zu 8 Prozent zurückgehen: "Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass die Jahreshöchstwerte unter denen von 2008 liegen", so Böttcher. Er fordert deshalb den raschen Umstieg auf erneuerbare Energien und das Voranbringen solarthermischer Anlagen in Nordafrika. Eine Fläche der Sahara in der Größe des Saarlandes würde bereits ausreichen, um mit solarthermischen Kraftwerken den gesamten Strombedarf Deutschlands zu decken. Über Gleichstromleitungen ließe sich der Strom mit bestehender Technik schon heute ohne große Verluste nach Europa bringen. "Die EU ist aufgefordert, Regelungen zu schaffen, mit denen Konzerne zur Durchleitung des Stroms aus Nordafrika verpflichtet werden."

"Vermutlich haben wir den eigentlichen ,worst case' noch gar nicht nachrechnet", erklärte der Kieler Klimaforscher Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften. Auch im günstigsten Szenario - also bei einer raschen Strukturveränderung hin zu einer grünen Wirtschaft - würde erst im Jahr 2100 die Halbierung der Emissionen erreicht. Lativ forderte von der Bundesregierung, "jährlich 20 Milliarden Euro für erneuerbare Energien" bereitzustellen.

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8 Kommentare

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  • W
    wanja

    @ archimedes: Das sehe ich ähnlich. Außerdem sollte Energiesparen und Effizienzsteigern viel mehr stattfinden.

     

    Zugleich @ b. w.: Ja, dieses Tiloo ist wirklich ein gutes Projekt. Sehr gut finde ich außerdem: http://www.greenbeltmovement.org/ und http://de.wikipedia.org/wiki/Afrikas_Gr%C3%BCne_Mauer_im_Sahel .

     

    Und neben der Geothermie, die ab 2020 in jedem Land wie Deutschland mindestens 50% des Wärme- und Kühlungsbedarfs decken könnte (zuzüglich Stromerzeugung), wird auch die Wellenenergie bislang unterschätzt, vgl. z.B: http://www.sri.com/news/releases/120808.html

  • K
    Karl

    Erwärmung "schneller als erwartet" oder schneller als von vorhandenen Modellen prognostizierbar?

     

    Eigentlich schon da n-te Mal das sich die, ja nunmehr doch sehr diffizilen, Prognosemodelle als unzureichend erwisen haben; woran mag das nur liegen?

     

    Warum beschert sich niemand über die faktisch unzlänglichen bisherigen Prognosen?

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • R
    Robert

    > Am Wochenende war bekannt geworden, dass

    > die Kohlendioxidkonzentration in der

    > Erdatmosphäre dreimal schneller steigt als

    > vom Weltklimarat IPCC prognostiziert.

     

    Kleiner aber m.E. wichtiger Unterschied:

     

    Der IPPC prognostiziert selber nichts. Er traegt publizierte Ergebnisse zusammen und stellt diese Informationen Entscheidungstraegern und anderen Interessierten zur Verfuegung.

     

    "The IPCC was established to provide the decision-makers and others interested in climate change with an objective source of information about climate change." (IPCC Mandate)

     

    "Its role is to assess (...) the latest scientific, technical and socio-economic literature produced worldwide (...). (IPCC Mandate)

  • A
    archimedes

    @ b. w.: Nicht nur in Südeuropa, auch in Mitteleuropa wird Solarenergie unterschätzt, vgl. eine Studie zum "Sun Area" Projekt in Osnabrück.

    Auch die Geothermie, die ab 1998 in dern EU noch weniger gefördert wurde, als vorher, wird maßlos unterschätzt, evtl. auch, weil sich dort manche großkapitalistischen Unternehmen noch nicht ausreichend eingekauft haben, um damit mehr Gewinne einzufahren, als mit den Alternativen. Solche Unternehmen haben ja auch immer entsprechend Geld für Werbung und Lobbyarbeit.

     

    Solarprojekte für Afrika fordere ich schon lange, aber so lange Afrika nicht selbst den gesamten Energiebedarf regenerativ deckt (auch dort hätte übrigens Geothermie ein gigantisches Potenzial, zur Kühlung von Gebäuden ebenso wie zur Stromerzeugung), solange ist es doch absurd, wenn auch nur eine einzige Kilowattstunde (mit Verlust wegen der langen Leitungen) nach Europa exportiert wird, damit wir hier sauberen Strom haben (und dort laufen Kohle- und Atomkraftwerke). Grotesk! Hauptsache die Dresdner Bank u.a. machen Gewinn ...

  • S
    Stefan

    Lieber Frank,

    deine Kritik in allen Ehren !

     

    Leider wird Afrika nie die finanziellen Mittel haben um solche Projekte in die Gänge zu bekommen.

    Das sollte uns aber nicht davon abhalten das Problem der Klimaerwärmung durch nur alle erdenklichen Möglichkeiten anzugehen.

     

    Letztendlich wäre es aber dann natürlich wichtig und richtig das der afrikanische Kontinent sowohl von der Energie die erzeugt wird, so wie auch von den Einnahmen der Erzeugung profitiert.

     

    Das müsste definitiv von der EU entsprechend reglementiert werden. Und wenn es schlussendlich auch aus unserer Not heraus endlich in die Gänge kommt, um so besser für uns alle, mal ganz davon abgesehen das die Klimaerwärmung wahrscheinlich die armen Länder viel, viel mehr trifft als uns.

  • BW
    b. w.

    sorry, 'hab mich vorhin beim letzten Link vertippt. Richtig wäre: http://www.tiloo.ch

  • BW
    b. w.

    Je nachdem, wie Solarprojekte in Afrika konkret durchgeführt würden, könnten sie zugleich auch den Menschen vor Ort in Afrika selbst nutzen, oder eben auch nicht. Letzteres befürchte ich ähnlich wie Frank (v.a. sein Hinweis auf die großen alten+neuen Gewinner dabei).

     

    Allerdings sind keineswegs alle Befürworter von Solarstrom aus Afrika nur Ausbeuter und kolonial arrogante Egoisten! Auch ehrliche Überlegungen, wie möglichst effektiv die Gesamtsituation am besten bewältigt werden könnte, haben einige gute Gründe.

     

    Allerdings ausgerechnet eine neue Abhängigkeit von Staaten, die noch weniger demokratisch sind, als die EU Staaten, halte ich langfristig für sehr problematisch. Außerdem sind Pläne wie Desertec und ähnliche entworfen worden, als z.B. Wellenkraft und Geothermie noch nicht annähernd technisch so ausgereift waren wie heute. Heute könnte aber in Europa selbst der gesamte Strom ab 2020 regenerativ erzeugt werden. Schon ein Bruchteil bisheriger "Konjunkturprogramme" würde dies möglich machen, v.a. wenn

    1. im Süden Solaranlagen auf alle geeigneten Dächer installiert würden,

    2. Windkraft an allen sehr gut geeigneten Standorten (v.a. offshore),

    3. offshore Wellenkraft

    4. Geothermie

    sofort und im großen Stil ausgebaut würden.

     

    Solarkraftwerke in Nordafrika zum Stromexport nach Europa wären dann überflüssig. Sie könnten allerdings für Meerwasseraufbereitung und Wüstenbegrünung in Afrika selbst sehr nützlich sein. Aber auch kleine, dezentrale Solarenergie ist sehr sehr nützlich in Afrika, vgl. z.B. http://www.tikoo.ch

  • F
    Frank

    Genau, lasst Afrika den Strom für unsere Ärsche hier in Europa liefern. Schnell die Ausbeuter via RWE, Vattenfall und Konsorten nach Afrika schicken, die Energie aufsaugen und nach Deutschland pumpen.

    Dann den Afrikanern in die Augen sehen und ins Gesicht spucken, wir sind ja schliesslich Kolonialherren und die Afrikaner sollen wenigstens Spaß dabei haben, unsere weisse Haut zu retten.

     

    Wie kann man NUR aus dieser Not (Erderwärmung) heraus die Idee des Solarenergielieferanten 3. Welt ins Spiel bringen?

     

    Wo bleiben die Wissenschaftler und Unternehmen, die dauernd von Gerechtigkeit quasseln und endlich mal etwas tun, indem sie ärmeren Ländern/ Kontinenten, wie Afrika, Südamerika, Indien usw. die Technik bringen, ohne sie auszubeuten.

     

    Das ist das Mindeste an Verpflichtung, was wir als westliche AUSBEUTER, was wir immer noch sind (siehe Billigproduktion von Textilien, Nahrung, Geräten usw. für westliche Länder, bei steigender Armut, Wasser- und Nahrungsknappheit der Erzeugerländer, Krankheiten durch Pestizidanwendung usw.), haben.

     

    Das predige ich doch schon lange und bestimmt auch andere Menschen zu genüge:

    Gebt ärmeren Ländern die Technik, damit sie die Engergie produzieren, für sich selbst und für den Rest der Welt, lasst die ärmeren Länder sich selbst helfen. Wobei ich davon überzeugt bin, dass es auch in Afrika Solarexperten gibt, die wissen, was möglich ist.

     

    Ich wundere mich immer noch, wieso so Sonnen-intensive Länder nicht schon Längst Strom an Sonnen-ärmere verkaufen. Die Technik ist seit Jahren/Jahrzehnten da. So könnte man die überhöhten Geldzahlungen an arme Länder senken, bzw. langfristig einstellen.

     

    Wir wissen ganz genau, wieviel Geld man mit Strom machen kann. Schluss mit der Lobbyarbeit der Ölkonzerne, Gaskonzerne und ausbeuterischen Unternehmen, die nur ihren eigenen Hintern retten wollen.

     

    Geben wir denen, die wir seit Jahrhunderten ausbeuten endlich etwas zurück, was nachhaltig ist und womit sie sich selbst helfen können und damit dem Rest der Welt. Hilfe zur Selbsthilfe.