Expertenberichte: Warnung vor Scheitern in Afghanistan
In den USA warnen drei Expertenberichte, dass die Befriedung Afghanistans ohne neue Anstrengungen scheitert
WASHINGTON taz Afghanistan ist auf dem besten Wege, als Staat und Demokratieprojekt zu scheitern. Zu diesem Fazit kommen unabhängig voneinander drei Studien, die am Mittwoch in Washington vorgestellt wurden. "In Afghanistan gilt die Lektion aus Vietnam", sagte Senator John Kerry bei der Präsentation, "wir können dort alle Schlachten gewinnen, doch den Krieg verlieren. Wir sind dabei, ihn zu verlieren." Je einen Bericht erstellten die Afghanistan Study Group, der Atlantic Council of the United States und Experten des Centers for Strategic and International Studies um Harlan Ullman.
Dem von Anschlägen erschütterten Land könne nur geholfen werden, wenn die Sicherheitslage, die Wirtschaftsentwicklung und das Regierungssystem verbessert werden, warnten die Experten. Die Berichte kommen zu dem Schluss, dass die Taliban zunehmend Kontrolle über die dünn besiedelten Gebiete zurückgewinnen und dass Reformen, Wiederaufbau und Entwicklungsarbeit "keine Dynamik entfalten". Die Reformen im zivilen Sektor seien trotz immenser Hilfen "nahezu gescheitert": "Schlimmer noch, von jedem für Afghanistan ausgegebenen US-Dollar kommen nur zehn Prozent bei den Afghanen selbst an."
Europa müsse angesichts der Krise im Hindukusch "aufwachen", forderte Ex-Botschafter David Abshire, Leiter des Center for the Study of the Presidency, und Schirmherr der Afghanistan Study Group. Die Gruppe hatte ihre Arbeit nach dem Vorbild der Irak Study Group von 2007 verfasst. Die Vorsitzenden der Afghanistan Study Group, der ehemalige UN-Botschafter Thomas Pickering und der Exgeneral James Jones, mahnten USA und Nato, dass in Afghanistan "das Richtige getan werden muss". Falle Afghanistan, bedrohe dies die regionale Stabilität und behindere sehr "den Kampf gegen Dschihadisten und religiösen Extremismus", warnte Jones.
In Afghanistan stehe auch die Zukunft der Nato auf dem Spiel. Dort zeige sich, ob sie tatsächlich ein kohärentes, glaubwürdiges und relevantes Militärbündnis sei. Die europäischen Nationen, die keine weitere militärische Hilfe leisten können, sollten ihren Beitrag zum Wiederaufbau verdoppeln. Die Study Group empfiehlt auch einen US-Sondergesandten für Afghanistan, der die gesamte US-Afghanistanpolitik koordinieren solle.
Es sei erfreulich, dass Afghanistan nach der Fokussierung auf den Irak wieder mehr Aufmerksamkeit bekomme, sagte Almut Wieland-Karimi, Leiterin des Washington-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, zur taz. Allerdings könne "nur eine transatlantisch abgestimmte Herangehensweise erfolgreich sein. Unilaterale Initiativen werden wenig helfen", meinte Karimi, die zuvor das Kabul-Büro der Stiftung leitete.
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