Experten zoffen sich um die Euro-Rettung: „Sarrazin der Ökonomie“
Der linke Wirschaftwissenschaftler Rudolf Hickel wirft den Kritikern der Euro-Beschlüsse „Links-Rechts-Populismus“ vor. Nötig sei eine bessere Banken-Kontrolle in Europa.
HAMBURG taz | Beim Thema Eurokrise verhärten sich die Fronten zwischen den Wirtschaftswissenschaftlern verschiedener Coleur. Nach einem medial viel beachteten Aufruf bundesweit meist kaum bekannter Volkswirte um den rechten Münchner Euro-Gegner Hans-Werner Sinn kontern andere Prominente der Zunft. Der linke Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel beklagt gegenüber der taz „Links-Rechts-Populismus“.
In einem Aufruf rechneten 172 Ökonomen im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Euro-Kurs der Kanzlerin ab, verteufelten die Brüsseler Gipfel-Beschlüsse und vor allem die Bankenunion. Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) reagierten verärgert und bekommen Unterstützung sogar von linken Pro-Euro-Volkswirten.
Für den Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, ein Anführer der linken Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, ist der Sinn-Aufruf „ein Skandal“. Da werde auf nicht mal einer Seite ein „furioser, ein unglaublich fundamentaler Vorwurf erhoben“, sagte er der taz.
Deutschland werde durch den auf dem Brüsseler EU-Gipfel vollzogenen Einstieg in eine Bankenunion „keineswegs zum Großzahler der gesamten Krise“. Es sei Unfug zu behaupten, die Bankenunion sei nur ein Programm zugunsten der Finanzmärkte. „Da wird einem politischen Programm, das man nicht will, einfach unterstellt, dass den Banken das Geld in den Rachen geworfen wird.“
„Mehr Bankenunion“
Es gehe aber in der EU darum, grundlegende Strukturreformen durchzusetzen, Banken auf ein verträgliches Maß einzuschmelzen und gleichzeitig stärker zu kontrollieren – Hickel fordert daher „mehr Bankenunion“. Die Brüsseler Beschlüsse gehen in diese richtige Richtung.
Hickel über das Ziel der Aufruf-Autoren: „Am Ende wollen sie keinen Euro. Das ist eindeutig so.“ Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn entwickele sich zum „Sarrazin der Ökonomie“.
In dieselbe Kerbe schlägt eine Große Koalition, die unter anderem aus dem eher linken Wirtschaftsweisen Peter Bofinger, dem Hamburger HWWI-Präsidenten Thomas Straubhaar, der jüngst seinen früheren wirtschaftsliberalen Überzeugungen abschwor, und dem gewerkschaftsnahen Gustav Horn sowie dem Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, besteht.
„Knapper Kanteraufruf“
Angesichts der von Ängsten und Unkenntnis geprägten Situation könne „es nicht die Aufgabe von Ökonomen sein, mit Behauptungen, fragwürdigen Argumenten und in einer von Klischees geprägten Sprache die Öffentlichkeit weiter zu verunsichern“, schreiben die Euro-Befürworter in einem ebenfalls knappen Konteraufruf im Handelsblatt.
Der EU-Gipfel-Beschluss, der dem neuen Rettungsschirm ESM erlaubt, auch Banken unter „angemessenen Auflagen“ zu kapitalisieren, gehe endlich wie das erfolgreiche amerikanische Regulierungsprogramm „zielgenau“ die Bankenproblematik an.
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