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Archiv-Artikel

Experten-Appell für mehr Studienplätze

Bis 2012 soll die Zahl der Studienanfänger stark zunehmen. Deshalb fordert der Wissenschaftsrat schleunigst neue Studienplätze. Doch so einig sich die Hochschulberater sind – die Minister streiten schon wieder um Geld und Kompetenzen

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

So deutlich waren die obersten Hochschulberater des Landes selten. „Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Studienkapazitäten der Hochschulen zügig auszubauen“, heißt es in einem Papier zu demografischen Entwicklung, das heute in Berlin vorgestellt wird und der taz vorliegt.

Was die Wissenschaftler und Vertreter aus Wissenschaftsministerien da formulieren, ist mehr als ein Nasenstüber für die Hochschulminister der 16 Bundesländer. Es geht darum, zu verhindern, dass – wie in den Siebzigerjahren – erneut eine Generation künftiger Akademiker unzureichend ausgebildet wird.

Der Ausbau von Studienkapazitäten müsse ein wichtiger Bestandteil politischer Strategien für Wachstum und Beschäftigung sein, schreiben die Gutachter in dem Papier mit dem Titel „Empfehlungen zum nachfrage- und demografiegerechten Ausbau des Hochschulsystems“. Sie raten dazu, sofort mit dem Ausweisen neuer Studienmöglichkeiten zu beginnen. Derzeit sind rund 2,1 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Prognosen der Kultusministerkonferenz sagen voraus, dass es im Jahr 2012 über 2,4 Millionen sein könnten.

Früher bezeichnete man mehr Studierende als „Studentenberg“. Heute nennt der Wissenschaftsrat die hohe Zahl an Studierwilligen „eine große Chance“. Die Gutachter warnen die Wissenschaftsminister der Länder vorsorglich, sich vor der finanziellen Herausforderung höherer Studentenzahlen wegzuducken. Man dürfe dem Bildungswesen nicht nur abverlangen, eine „genau abgemessene Zahl von Absolventen auszubilden“. Für die wirtschaftliche Entwicklung brauche das Land mehr Hochqualifizierte. Der Ausbau der Studienplätze sei auch im Sinne der Chancengleichheit nötig: „Es ist ein politischer und gesellschaftlicher Konsens, dass alle jungen Menschen die Chance erhalten sollten, eine ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Ausbildung ergreifen zu können.“

So einig sich die Wissenschaftler und Kultusbeamten aus den Bundesländern im Wissenschaftsrat freilich sind, so kompliziert dürfte die politische Umsetzung der Ratschläge werden. Vergangene Woche trafen sich die Wissenschaftsminister der Länder erstmals mit der neuen Wissenschaftsministerin des Bundes, Annette Schavan (CDU), allerdings kam nicht viel mehr heraus bei dem Treffen als ein rhetorisches Bekenntnis zu einem Hochschulpakt zum Ausbau von Studienplätzen. Ein solcher Pakt ist unter den Maßgaben der Föderalismusreform praktisch allerdings nur unter den Bundesländern möglich. Denn kommt die Reform wie geplant, darf sich der Bund nicht am Ausbau von Studienplätzen beteiligen. Den Ländern aber fehlt das Geld und oft auch der Wille, die Hochschulen für mehr Studierende fit zu machen.

Das zeigten bereits die ersten Äußerungen nach dem Berliner Treffen mit Schavan. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) hat einen Vorschlag ausgetüftelt, wie die Hochschulen zum Ausbau von Studienplätzen motiviert werden könnten. Zöllner will Ländern, die mehr Studierende ausbilden als sie Landeskinder haben, einen finanziellen Ausgleich gewähren. Dem widersprach sofort Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Neben dem normalen Länderfinanzausgleich habe ein Spezialausgleich für die Hochschulen keinen Platz.

Sein Kollege aus dem benachbarten Baden-Württemberg, Peter Frankenberg (CDU), wies das Ansinnen zurück, den Bund am Ausbau der Studienplätze zu beteiligen. Man müsse sich an die Vereinbarungen aus der Föderalismusreform halten. Wie dann 300.000 zusätzliche Studienbewerber versorgt werden sollen, verriet Frankenberg nicht.