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Exklusion statt InklusionRauswurf von der Regelschule

Ein autistisches Kind soll nach einer Rangelei die Schule verlassen. Seine Mutter wehrt sich: Wäre der Junge gefördert worden wie vorgesehen, gäbe es keine Probleme.

Darf gerade nicht in seine 5. Klasse: Inklusionsschüler John, hier mit seiner Mutter. Bild: Hendrik Doose

In seinem Zimmer hat John* eine Lego-Landschaft aufgebaut. Er sammelt Fußballbildchen, liest gerne Comics und interessiert sich für die alten Römer. Ein ganz normaler Junge also. In seine 5. Klasse darf der 10-Jährige zurzeit nicht, höchstens in einer 8. Klasse dabeisitzen und malen. So hat es die Klassenkonferenz am Montag beschlossen. Und nach den Ferien soll er ganz runter von der Stadtteilschule Sinstorf.

John leidet am Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus. „Man schlug vor, er solle entweder auf eine Schule für Körperbehinderte oder in ein Schulschwänzerprojekt“, berichtet Johns Mutter, Corinna S. Damit sei sie aber nicht einverstanden. „Er hat in der Klasse zum ersten Mal in seinem Leben zwei gute Freunde gefunden.“

Mit denen spielte er vergangen Woche auch im Gruppenraum Kissenschlacht. Ein Junge sei dazu gekommen, habe ihn als „Psycho“ beschimpft, erzählt John. Das habe der schon öfter gesagt. „Ich bin ausgerastet und hab ihn zu Boden geschlagen.“ Das andere Kind erlitt eine Gehirnerschütterung.

Recht auf Unterstützung

Laut Paragraf 12 des Schulgesetzes haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen. Die Förderung kann zeitweilig in gesonderten Lerngruppen erfolgen, wenn dieses im Einzelfall pädagogisch geboten ist.

Benötigen diese Schüler eine erhöhte Aufsichtspflicht, sind die notwendigen Hilfestellungen von der Schule zu erfüllen. Dazu gehört auch das Engagieren eines Schulbegleiters, der mit dem Kind im Unterricht sitzt.

Menschen mit dem Asperger-Syndrom haben Schwierigkeiten, nonverbale Signale von anderen Personen zu deuten. Sie haben oft auch besondere Begabungen wie eine hohe Aufmerksamkeit oder eine gute Gedächtnisleistung.

„Schlimme Sache“, sagt S. Die Konsequenzen, die die Schule zog, findet sie aber falsch. Seit im März die Asperger-Diagnose kam, bemüht sich die Mutter um eine Schulbegleitung: Darauf haben Kinder wie ihr Sohn Anspruch – und können dann, sagt die Autismus-Beratungstelle, in einer normalen Schulklasse bleiben. Nötig ist zur Bewilligung ein Gutachten, den Termin dafür haben sie nächste Woche.

„Autisten, bei denen geht was anderes in den Köpfen vor“, erklärt John. „Sie können Ironie und Witze nicht verstehen.“ Er komme in kleinen Gruppen gut zurecht, in größeren Klassen sei es oft schwieriger. „Da kann ivh keine Aufgaben mehr lösen, muss Quatsch machen.“ Auch er sei schon Mitschülern geschlagen worden und möchte trotzdem in seine Klasse zurück, sagt John: An dem Tag, an dem er nur in die 8. durfte, habe er in der Pause mit seinen Klassenkameraden gesprochen. „Die fanden das auch ungerecht.“

Corinna S. hat sich juristisch beraten lassen – und will sich die Sache nicht gefallen lassen. Laut Hamburger Schulgesetz haben Kinder wie John ein Recht auf den Besuch einer normalen Schule. Die in Sinstorf habe sich ja „bemüht“, sagt S. „Mein Kind ist schwierig, ich kann die Lehrer verstehen.“ Aber John habe bisher nicht die für Autisten nötige Förderung erhalten. Auch gebe es zu wenig Personal für die vier „Integrationskinder“ in der Klasse. In der Woche, in der sich die Sache zutrug, „war dort bis auf zwei Stunden nur eine Kraft“.

Die Schulbehörde bleibt hart. „Wir suchen mit Mutter und Sohn eine Lösung“, sagt Sprecher Peter Albrecht. Eine Regelbeschulung sei aber „weder im Sinne des betreffenden Schülers noch der Mitschüler“. Der Junge habe sich als gefährlich eingeschätzt und gesagt, er könne nicht garantieren, dass es nicht wieder zu Aggressionen komme. Und nach dem Ordnungsmaßnahmen-Paragrafen 49 kann die Schule ihn vorübergehend ausschließen. Die Frage nach einem Schulbegleiter sei „kompliziert“, so Albrecht: Die Familie wohnt in Niedersachsen, wo es für derlei nur geringe oder gar keine Ressourcen gebe.

Man dürfe autistische Kinder nicht von der Störung her betrachten, sagt Martin Eckert von der Elterninitiative Leben mit Behinderung, „sondern von ihrem Förderbedarf her“. In Hamburg sei es gelungen, solche Kinder gut ins gemeinsame Lernen einzubeziehen. „Einige gehen aufs Gymnasium“, weiß Eckert. Für die nötige Schulbegleitung zu sorgen, sei Sache der Schule.

„Der Junge ist erst zehn, der braucht Hilfe“, sagt Corinna S. Die Schulbegleitung würde das Land Niedersachsen bezahlen. „Die sollen meinen Sohn nur in der Schule lassen.“ Die Hamburger Schulbehörde dramatisiere die Aussagen ihres Sohnes übermäßig: „Er würde sich nie als gefährlich einschätzen“, ist sich die Mutter sicher. „Ich habe nur gesagt, dass es vielleicht wieder passiert“, sagt John. „Ich kann ja nicht die Zukunft voraussehen.“

*Name geändert

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11 Kommentare

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  • BB
    Billy B.

    Hallo,ich kann die Situation nachempfinden.Bei uns hat sich im Großen und Ganzen das selbe abgespielt.Mit dem Unterschied mein Sohn ist in der 6.Klasse auf dem Gymnasium.Asperger wurde auch seit kurzen diagnostiziert,Therapie läuft an.(Habe seit ser 3.Kl. um Unterstützung gesucht).Mein Sohn hatte schon immer soziale Kontakte,zwar nur wenige,aber dafür gute.Gemobbt wurde er auch schon immer und auch geschlagen.Viel Hilfe kam nicht von Seiten der Schule.Jetzt gibts eine Klassenkonferenz,weil mein Sohn zurückgeschlagen hat und zwar etwas heftiger.Der "Gegner" hat ohne Vorwarnung meinem Sohn so stark ins Gesicht geschlagen(nach einem Wortwechsel)das dieser gleich Nasenbluten bekam und da konnte sich mein Sohn nicht mehr zurückhalten.Er hat drei Mal zurück gehauen,auch gegen den Kopf.Schläfenprellung,leider. Nun Klassenkonferenz.Mal sehen was uns erwartet.Allerdings wird der andere Junge auch geladen.Du bist also nicht allein,leider geht es anderen Betroffenen auch so......

  • M
    Mare

    Die Integration von Kinder mit autismusspektrum in den Schulalltag klapt im Ausland besser als in Deutschland. Das deutsche Schulsystem ist sowieso zu selectiv und garnicht auf Integration ausgerichtet.z.B. in Portugal nehmen Kinder mit autismusspectrum am normalen Schulalltag teil und haben(neben Schulbegleitung) zusaetzlichen Foerderunterricht in einem fuer ihre Beduerfnisse eingerichteten Raum und fuer jedes Kind ein individuel angepasstes Foerderprogramm.

  • A
    Aspie

    Ich bin auch Aspie, als Erwachsene diagnostiziert. Ich verliere jetzt meinen Job, weil ich AS bin und man mir keine Nachteilsausgleiche gewähren will (man könnte dies nicht leisten). Dabei brauche ich eigentlich nur eine zumutbares Arbeitsumfeld ohne Mobbing, klare Anweisungen - eigentlich wie jeder andere Mensch auch - mehr nicht, dann falle ich fast nicht auf.

    Nein - als Schwerbehinderter wird man oft nur geduldet, wenn man keinerlei Zusatzaufwand verursacht, keine Nachteiksausgleiche in Anspruch nehmen muss, soll perfekt funktionieren trotzdem, sonst ist man draußen. Inklusion ist ein Fremdwort, Integration auch. Exclusion ist viel einfacher und in den Köpfen im 1.Moment billiger. Dabei wird aber vergessen, dass Sozialleistungen (ALG, Harz IV) auch Geld kosten und in keinem Gegensatz stehen zur Arbeitsleistung, die man oft bereits mit nur wenig Hilfe und Toleranz erbringen könnte). Überall werden Autisten behalndelt, als wären sie eine Gefahr, als wären sie zu nichts zu gebrauchen, werden ausgeschlossen - und die Tendenz wird immer mehr. Ich hab sogar mehrfach studiert, aber zu arbeiten zu zumutbaren Bedingungen, soll ich keine Chance haben.

     

    Sobald bei im öffentlichen Dienst Beschäftigten AS bekannt wird (und das wird es nunmal leider, weil man dies nicht voll verstecken kann auf Dauer), dann geht nach Schema F das Rausmobben los statt Inklusion. Mir sind mittlerweile mehrere Fälle davon bekannt. ... und da hilft kein Integrationsamt, nein, der AS-Mitarbeiter ist einem Arbeitgeber nicht zuzumuten. Mobbing wird einfach ignoriert, es ist der böse AS, der nur nicht will. Der AS kämpft gegen das Mobbing und geht seelisch immer mehr daran kaputt, aber Keiner hilft und glaubt ihm ... Das Spiel wird solange gespielt, bis der AS nicht mehr kann und man ihm persönliche Schwächen so anlasten kann, dass er angeblich untragbar wäre, dabei wehrt dieser sich nur und reagiert bei Mobbing ebenso seelisch gequält wie alle anderen Menschen, nur mit anderen Strategien. Überall das gleiche System. Man will doch gar nicht verstehen, nur einfach weg haben - Exclusion. Traurig.

  • AA
    ABC Autismus

    Selbstverständlich hat jedes Kind das Recht auf Bildung. Autistische Kinder sind da nicht auszuschließen. Autisten brauchen wie jedes Kind eine geeignete Lernumgebung. Leider wird darüber erst dann nachgedacht, wenn das "Kind schon in den Brunnen gefallen ist".

     

    Es wäre hilfreich gewesen, dass die Schule und das Kollegium sich vor der Aufnahme "pro-aktiv" dahingehend fortgebildet hätte, wie eine autismusfreundliche Umgebung aussehen muss.

     

    Ich möchte der Schulleiterin des Gymnasiums Blankenese widersprechen: Es ist kein Weg Kinder auszuschließen. Man tut ihnen damit keinen Gefallen! Jeder Mensch möchte im Rahmen seiner Möglichkeiten dazugehören- auch Autisten - denn Menschen sind soziale Wesen! Wie Herr Eckart treffend feststellt, gibt es Schulen, an denen Kinder aus dem autistischem Spektrum erfolgreich beschult werden.

    Ein zentrales Element sind gut fortgebildete Lehrkräfte- hier gibt es noch einen großen Bedarf- nicht nur in Hamburg.

  • I
    insigma

    die guten ins töpfchen, die schlechten ins kröpfchen. das oberste ziel ist es ja, zukünftige systemerhalter auszubilden. leute, die sich nicht in das schema pressen lassen, werden also aussortiert.

     

    albert einstein hatte asperger genauso wie steve nspielberg u.a. berühmte persönlichkeiten. wären sie nicht anders als die massen, wären sie ja nichts besonderes.

     

    es gibt ein buch (ich glaube von einem österr. autor) "die durchschnittsfalle" - das thematisiert genau diesen verdurschnittlichungswahnsinn.

     

    man kann sich des eindrucks nicht erwehren, dass auch gewisses braunes gedankengut mitschwingt: man ratifiziert zwar scheinheilig die un-menschen- und kinderrechtskonventionen, in der praxis schert man sich aber einen teufel um sonderlinge und ich unterstelle dem einen oder anderen (hier mag sich angesprochen fühlen, wer auch immer), dass die lösung der späten 1930er jahre für solche menschen auch heute begeisterte anhänger findet.

     

    unsere gesellschaft ist beschämend.

  • E
    Einstellung

    Die Schulleiterin des Gymnasiums Blankense stellt fest:"Normalerweise spielen behinderte Schüler an Gymnasien keine Rolle. Deshalb ist es eine besonders schöne Initiative", sagt Ingrid Herzbergstellt. Bei der Einstellung von Pädagogen, die an zahlreichen anderen Schulen Hamburgs sicherlich auch nicht viel anders aussehen, braucht man sich über Inklusion schon deshalb keine Gedanken machen, weil man den Kindern keinen Gefallen damit tut, ständig als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. es sind die Lehrer (Pädagogen?) und Eltern (Vorbilder?), die den Kindern vorleben, dass es ausschließlich um Leistung und Anpassungsfähigkeit geht. Wer nicht ins Schema passt, soll gehen.

  • A
    Aspie

    Ich habe auch das Asperger Syndrom, was allerdings erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wurde (als ich noch zur Schule ging, gab es diese Diagnose noch gar nicht). In der Grundschule war ich so richtig schwierig. Ich habe Lehrkräfte zum Heulen gebracht und mich mit Mitschülern geprügelt. Und trotzdem ist kein Mensch in der Schule auf die Idee gekommen, mich der Schule zu verweisen. Schulbegleiter, Förderung und all das waren damals noch Fremdworte. Wenn ich so lese, was heute abgeht trotz der Inklusionsforderungen und all den Fortschritten, bin ich froh, daß es damals das alles noch gar nicht gab. Sonst wäre ich womöglich auch von der Schule geflogen. So konnte ich aber die ganz normalen Schulen besuchen und Abitur machen.

  • M
    MiMe

    all inclusive: Germanys next Exklusion

    Es ist nicht Sache der Schulbehörde für eine Schulbegleitung zu sorgen, sondern das Recht des Kindes auf Teilhabe und angemessene Beschulung -und diese ist tatsächlich Sache der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Ich bin selber Mutter einer Tochter mit dem Asperger Syndrom; sie besucht ein Gymnasium mit einer Schulbegleitung.... Es war kein leichter Weg diese zu bekommen...und meine Tochter hat zuvor einen schulischen Leidensweg ( Regelschule mit Mobbin, Förderschule mit Mobbing, Diagnose AS, Berufsfachschule und aktuell Gymnasium mit Schulbegleitung). Ohne Schulbegleitung könnte sie die Schule nicht besuchen, wäre ausgeschlossen und könnte nicht ihren Begabungen entsprechend beschult werden.

    Ja, und auch meine Tochter zeigt Verhaltensweisen, die für den einen oder anderen "gewöhnungsbedürftig" erscheinen, so what!!! Ich möchte niemanden wünschen mit einer solchen tiefgreifenden Entwicklungsstörung bzw. neuro-biologischen Besonderheit, welches u.a. eine Informations- und Wahrnehmungsverarbeitungs"besonderheit", sowie eine andere Art des Denkens (was ja nicht schlechter sein muss) verbunden ist, zu tauschen. Diese Menschen sind lediglich anders...aber nicht schlechter!!

    Es gibt das Recht auf Eingliederung und Teilhabe und es empfiehlt sich einen Antrag beim zuständigen Jugendamt zu stellen.

    Ich nenne diese Masche (leere Kassen...keine finanzielle Ressourcen) eine all inclusive Exklusion!

  • GN
    Graf Nitz

    Ist doch nicht so schlimm. Solange er keine migrantischen Kinder umhaut, ist es mir egal.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Autistisches Kind muss in der Schule verbleiben

    Wenn jedes kind(Schulkind) auf Grund von fehlverhalten die schjule verlassen müsste,dann gäbe es bald leere Klassenräume

     

    Niemand darf auf Grund einer..,. benachteiligt werden,wo bleibt hioer die Inklusion ,die praktizierte UN-

    Behindertenrechtskonvention

    Hier muss in Deutschland ein Umdenkungungsprozess stattfinden,damit Deutschland Behindertenfreundlich und nicht wie es sich gibt als Behindertenfeindlich stigmatisiert wird.

    *Den oberen Kommentar auf Grund einer Sehstörung(Augentropfen) nicht ins Netz fallen,wegen Schreibfehler

  • O
    olo

    immer schön aussortieren, gute alte deutsche Tradition.