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ExjugoslawienGrüße aus Ruinenland

Eine ganz normale europäische Region wie es die Reiseführer verbreiten? Tatsächlich eignet sich der Westbalkan im Jahr 14 nach den Kämpfen in Kroatien und Bosnien für Antikriegs- Tourismus

Die Kriegsschäden sind sichtbar. Bild: eduardo cruz

Das ehemalige Kriegsgebiet beginnt ziemlich abrupt, wenn man die Küstenstraße verlässt und ein paar Kilometer ins Landesinnere fährt. Willkommen in Exjugoslawien. Hier wurden die ersten Barrikaden in den Balkankriegen errichtet. Dann begannen die "ethnischen Säuberungen": 170.000 nicht serbische Bewohner flohen vor den Kämpfen oder wurden von serbischen Milizen vertrieben. Ihre Häuser wurden zerstört, um eine Rückkehr zu verhindern. Die Kampflinien hin zum nicht besetzten Teil Kroatiens wurden mit über einer Million Landminen "gesichert". Doch die retteten die Serbische Republik Krajina nicht. Im Sommer 1995 überrannten kroatische Truppen das Gebiet. Wieder flohen Zehntausende. Diesmal vor allem Serben. Bis heute sind wenige wiedergekommen. Die meisten sind Kroaten.

Mile hat die vier Jahre der "serbischen Besatzung" auf "freiem kroatischem Territorium" verbracht. Sein Haus, drei Stockwerke mit Gästezimmern inklusive Balkon für die zahlreichen Fernfahrer und Jugoslawientouristen, die bis zum Krieg von der Küste nach Zagreb, Sarajevo oder Belgrad fuhren, war bereits im Herbst 1991 eine Ruine.

Als Mile 1995 zurückkehrte, kaufte er das Gebäude neben seinem zerstörten Haus. Über die ehemaligen Nachbarn, die jetzt in Serbien leben, weiß er: "Die wollen nicht hierher zurückkehren." Zuerst haben Mile und seine Familie in dem ehemaligen "serbischen Haus" gewohnt. Mittlerweile steht daneben wieder ein ansehnliches Gebäude. Die Dörfer links und rechts aber bestehen weiter aus Ruinen. Auf der Landstraße fahren im Sommer nur noch wenige Touristen, im Winter einzig Anwohner und ein paar Trucker. "Jetzt habe ich wieder Gästezimmer, aber es gibt zu wenig Gäste, es lohnt sich kaum", sagt Mile.

Bosnien-Herzegowina grüßt mit einem überdimensionierten Grenzübergang. Dann führt die frisch asphaltierte Straße an der ersten Moschee vorbei durch heruntergekommene, vom Krieg gezeichnete Ortschaften. Viele Gebäude weisen noch immer Einschusslöcher auf. Eine serbische Fahne heißt in der Republika Srpska willkommen. Sie erinnert daran, dass Bosnien noch immer ein geteiltes Land ist: Neben der serbischen Teilrepublik gibt es die aus zehn jeweils mehrheitlich muslimischen oder kroatischen Kantonen bestehende Föderation Bosnien-Herzegowina. Auf der Landkarte wirkt das wie ein heilloses Kuddelmuddel. Tatsächlich aber besteht das vor dem Krieg durch und durch multinationale Bosnien jetzt aus vielen mononationalen Teilen.

Jajce ist eine erstaunliche Stadt. Mitten durch die von 500 Jahren osmanischer Herrschaft in Bosnien geprägte Altstadt verläuft ein Wasserfall. Unter dem Ort liegen eine mittelalterliche Stadt und eine römische Festung. Leider hat der Krieg von Jajce kaum etwas übrig gelassen. Die meisten der Jahrhunderte alten osmanischen Häuser gammeln vor sich hin. Kein einziges Café lädt ein. Das vor dem Krieg immer überfüllte Grillrestaurant daneben ist eine Ruine. Warum unternimmt niemand etwas gegen den Zerfall?

"Die internationale Gemeinschaft hat der lokalen Verwaltung zu früh den Wiederaufbau übertragen", erklärt Zoran. "Die beherrscht die Nationalpartei der Kroaten, die der Muslime ist die Opposition. Und beide blockieren sich gegenseitig." Der Mittfünfziger steht vor seinem Auto mit schwedischem Kennzeichen. Zoran ist bosnischer Serbe aus Jajce. Im Jahr 1992, dem ersten Kriegsjahr, "als hier Kroaten und Muslime auf die Serben losgingen", ging er nach Schweden. In Jajce fielen kurz darauf kroatische und muslimische Verbände übereinander her. Die verbliebene Zivilbevölkerung verließ die Stadt. Ein großer Teil ist bis heute nicht zurückgekehrt. Zoran versuchte es. Bald erfuhr er, dass er in Jajce nicht willkommen war. Das galt nicht nur für Serben: "Den Muslimen ging es nicht viel besser", sagt Zoran. "Baumaterial und Finanzhilfen kamen nicht oder viel später an, als bei den kroatischen Nachbarn." Das gehöre zur Taktik der kroatischen Nationalpartei: "Die wollen verhindern, dass Angehörige anderer Nationalitäten zurück nach Jajce kommen. Denn dann würden sie nicht mehr automatisch jede Wahl gewinnen."

Sichtbare Kriegsfolgen. Bild: cramer photocase

Nach zwei Jahren ging Zoran wieder nach Schweden. Seitdem kommt er ab und zu im Sommer vorbei, "um nach dem Haus zu sehen". Eine echte Rückkehr nach Bosnien schließt er aus. "Was soll ich hier? Das hier ist nicht mehr das Land, aus dem ich komme. Das ist zerstört worden."

Entlang der Straße nach Sarajevo stehen zahlreiche neue Moscheen. "Viele alte Gebetshäuser wurden im Krieg zerstört", sagt Suljo, 45, Elektriker. "Seitdem hat vor allem Saudi-Arabien eine Menge Neubauten finanziert. Aber die sehen nicht aus wie unsere bosnischen Moscheen, sondern wie McDonalds-Filialen."

Im Land der "K-Mark"

Déjà-vu Besucher aus Deutschland stellen in Bosnien überrascht fest: Die Währung sieht nicht nur aus wie die DM - die "Konvertible Mark" wird auch exakt im selben Kurs zum Euro getauscht, wie damals die gute alte westdeutsche Währung.

Im Gegensatz zur DM wird die KM aber nicht durch eine stabile Wirtschaft getragen. Ihren Wert legen die internationalen Organisationen fest, die Bosnien seit Kriegsende verwalten. Und: In den serbischen bzw. kroatischen Landesteilen sind mit dem serbischen Dinar und der kroatischen Kuna (Marder) zwei weitere Währungen im Umlauf.

Auch bei den Übernachtungspreisen ist Bosnien geteilt. In städtischen Zentren wie Sarajevo oder Mostar kann eine Nacht in einer der zahlreichen Privatpensionen 30 bis 50 Euro pro Kopf kosten. Kurz hinter der Stadtgrenze gibts dasselbe für 10 Euro.

Ähnlich verhält es sich mit dem Restaurantessen. Überall preiswert sind dagegen die "Burekdzinicas", wo es den hierzulande als Börek bekannten Fleisch-, Käse- oder Gemüsekuchen schon für umgerechnet 50 Cent gibt. Dazu sollte unbedingt Jogurt getrunken werden. www.bhtourism.ba/ger (rr)

Von den Fassaden Sarajevos bröckelt der Verputz. In der alten osmanischen Festung über der bosnischen Hauptstadt liegt Müll. Auch die 1992 ausgebrannte Nationalbibliothek ist nur eine Baustelle. "Bevor die Demokratie eingeführt wurde, konnte man hier Bücher leihen. Schau dir das Gebäude heute an, dann weißt du, was Demokratie taugt", kommentiert Suljo bitter.

Vor zwei Jahren erkrankte er schwer. Er verlor seinen für bosnische Verhältnisse hervorragend bezahlten Job am Flughafen. Erst vor einem Monat wurde seine Erwerbsunfähigkeit anerkannt. Dafür gibt es in Bosnien 60 Euro pro Monat. "Das reicht im Winter gerade für die Heizkosten."

Jetzt können Suljo und seine Frau Jasna sich die private, national integrierte Schule nicht mehr leisten. Ihre beiden Kinder mussten die Schule wechseln. Nun besuchen sie eine der im muslimisch-kroatischen Teil Bosniens verbreiteten "zwei Schulen unter einem Dach". Dort werden die Kinder nach Herkunftsnationalität unterrichtet. Doch das ist im Falle ihrer Familie schwierig: Suljo ist Muslim, Jasna ist Kroatin. "Die Kinder haben sich am Ende für die muslimische Klasse entschieden", sagt Jasna. "Jetzt lernen sie in Geschichte, dass 1992 das Volk ihrer Mutter das ihres Vaters angegriffen hat. In der kroatischen Klasse wäre das Gegenteil passiert."

Das Dorf Galici bei Gornji Vakuf bestand einmal aus zwanzig Häusern. "Heute gibt es neben meinem nur noch ein weiteres Haus", sagt der Kroate Stjepo. "Aber das ist nicht bewohnt, weil der Besitzer zu seiner Frau ins Tal gezogen ist." Was ist in Galici passiert? "Wir waren damals keine zwanzig Jahre alt", erklärt Stjepo, "und ich war der größte Nationalist von allen." Bis Kriegsbeginn hatte er sich nie Gedanken über die Nationalität seiner Schulkameraden gemacht. Im Jahr 1992 jedoch brach eine Welle der Propaganda über Zentralbosnien herein. "Es dauerte nicht lange, bis wir alle davon überzeugt waren, dass uns Serben und Muslime an den Kragen wollen."

Heute steht auf der Anhöhe am Rande des ehemaligen Dorfs Galici ein mehrere Meter hohes Kreuz. Daneben eine Mauer, auf der die Gesichter von 17 Männern abgebildet sind. Sie sind zwischen 1993 und 1995 gestorben. Militärisch ausgedrückt: gefallen. Der 39-Jährige ist nicht stolz auf seine Taten im Bosnien-Krieg. "Wir waren damals sehr jung und unglaublich blöd. Aber wir mussten uns verteidigen. Dass die auf der serbischen und muslimischen Seite genauso blöd waren wie wir, das habe ich erst später kapiert. Und dass wir allesamt von unseren Politikern ausgenutzt wurden, auch." Stjepo ist sicher: Die Chefs der nationalen Parteien und Militärverbände haben von Anfang an aus Diebstahl, Schwarzhandel und Wegzöllen Profite gezogen. "Meine Generation durfte die Drecksarbeit machen. Und zum Dank gabs einen Tritt in den Arsch."

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8 Kommentare

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  • A
    Anti-CCCC

    "CCCC schrieb:

     

    Ja positive Dinge berichten, wie z.B. dass Srebrenica jetzt wieder sauber ist."

     

    Spielen Sie auf die ethnische Bereinigung Srebrenicas von der muslimischen Bevölkerung an? Sollte meine Mutmaßung Ihren ideologischen Vorstellungen entsprechen, möchte ich hoffen, daß Ihr mißratener Kleingeist die Konsequenzen Ihres Tuns in überwältigendem Außmaß zu spüren bekommt.

  • FA
    Freude am Schreiben

    Die Darstellung des Kriegsverlaufs in Jajce stimmt leider nicht einmal ansatzweise mit den historischen Fakten überein. Der Ort war von 1992-95 unter serbischer Kontrolle.

     

    Dass der Artikel behauptet, es gäbe in Jajce keine Cafés mehr, ist noch weniger nachvollziehbar. Die Innenstadt ist voll davon. Und der Ort ist nun wirklich nicht so groß, dass man die übersehen könnte.

  • M
    maki

    Ich persönlich finde das der Artikel die lage etwas negativer darstellt als es ist, aber generell finde ich es gut.Doch eine Sache möchte ich klarstellen die Zoran behauptet. Als ich als elfjähriger meine Erfahrungen mit dem Krieg in Jajce hatte, kann ich micht erinnern das die "Kroaten und Muslime auf die Serben losgingen". Es war der Gegenteil.

     

    Es ist auf jeden Fall wert nach Bosnien zu reisen, und es gibt nicht nur Sarajewo und Mostar, sondern auch kleinere Städte die man besuchen sollte. Jajce ist nur ein Beispiel, weil es eine reiche Geschichte hat (der Sitz der letzten bosnischen Könige, das sozialistische Jugoslawien wurde da gegründet...) und ausser dem Wasserfall, gibt es auch zwei Seen, zwei Flüsse...

  • P
    Putnik

    Ich bin erst vor drei Wochen von meiner Tramp-Reise durch Kroatien und Bosnien-Hercegovina zurückgekehrt und kann mich Cordulas Meinung nur anschließen. Die Gastfreundschaft und aufrichtige Herzlichkeit, die ich von den Menschen insbesondere in Mostar und Sarajevo erlebt habe, kenne ich von Leuten meines Alters (25) in Deutschland nur sehr selten. Bosnien ist definitiv eine Reise wert und gerade weil die Menschen dort um das Image ihres Landes bei uns wissen, welches sich einmal mehr in diesem Artikel widerspiegelt, sind sie ehrlich bemüht sich und ihr Land von der besten Seite zu zeigen. Ja, man sieht Einschusslöcher und Ruinen und ja, man bemerkt auch die unter der Bevölkerung noch stark vorhandenen Konflikte, aber wenn man neben dem ausschließlichen Blick für Probleme auch mit offenen Augen durch das Land reist, erlebt man wundervolle Überraschungen, besonders als ausländischer Tourist.

  • C
    CCCC

    Ja positive Dinge berichten, wie z.B. dass Srebrenica jetzt wieder sauber ist.

  • A
    Anna

    @ Cordula: In den Innenstädten von Sarajevo und Mostar sieht man tatsächlich kaum noch Kriegsspuren, aber zu Bosnien-Herzegowina gehört eben auch die Straße von Doboj nach Bosanski Brod und da sind die Kriegsspuren allgegenwärtig. Das heißt aber dennoch nicht, dass das Land keine Reise wert wäre. Kurz gesagt: Ich finde den Artikel sehr gelungen und habe einige meiner eigenen Erfahrung darin wiedergefunden.

  • S
    ShoOo

    Der Text gefällt mir, aber natürlich es gibt viele Fehler, die man augenscheinlich mit der schlechten Absicht geschrieben hat.

  • C
    Cordula

    Was ist denn das für eine Überschrift, die in überhaupt keiner Relation zum Text darunter steht? Eignet sich der Balkan nun zum Reisen oder nicht? Der Titel sagt nein, der Zwischentext doch, und der komplette Text wieder nein. Sehr bedauerlich, denn der Leser bekommt durch diesen Text attestiert, dass eigentlich die meisten Städte - gerade in Bosnien und der Herzegowina - eigentlich gar keine Reise wert sind, da die Kriegsschäden noch groß sind und sowieso die meisten Leute arbeitslos sind, außerdem hassen sich Kroaten, Bosnier und Serben ja sowieso eh und immer noch.

    Was ist das für ein Bild?

    Ich bin im Juli dieses Jahres in genau dieser Region gewesen und kann das Bild leider (??!) nicht bestätigen. Ursprünglich hatte ich vor, die längste Zeit in Kroatien zu verbringen, was mir aber durch so viele (Pauschal-)Touristenschwärme so vermiest wurde, dass ich die meiste Zeit in Bosnien verbracht habe. Ein total unterschätztes, aber wunderschönes Land!

    Nicht nur, dass man mit großer Gastfreundschaft aufgenommen wird (auch und gerade als Deutsche®, man bekommt immer wieder gesagt, wie viele Bosnier im Krieg nach Deutschland flüchteten); das Land an sich ist eine Reise wert, egal ob man wandern will (nein, nicht alle Regionen sind total vermint) oder raften oder Kultururlaub... Besonders Sarajevo und Mostar haben doch gerade für Touristen so viel zu bieten und liegen in so wudnerschöner Landschaft, ganz zu schweigen von der Architektur. Ja, die ist nicht überall wieder aufgebaut nach dem Krieg und ja, man kann noch Einschusslöcher sehen, aber in den historischen Altstädte ist nichts mehr vom Krieg zu sehen.

    Es wäre sehr schön gewesen, auch all die positiven Dinge in eurem Bericht zu lesen, denn die Ruinen oder Minen machen wirklich den geringsten Teil in dieser wunderschönen Gegend aus.