Exil-Simbabwer hoffen auf Machtwechsel: "Wenn Morgan übernimmt, packen wir"
In den vergangenen Jahren sind Millionen von Menschen vor Gewalt und Rezession nach Südafrika geflohen. Jetzt schmieden sie zaghaft wieder Zukunftspläne.
JOHANNESBURG taz An einem belebten Taxistand im Zentrum von Johannesburg hat die Exilgemeinschaft der Simbabwer ihren Stand aufgebaut. Musik grölt aus Lautsprechern, über die ein Zeltdach gespannt ist. Informationen über die Wahlen in ihrem Heimatland, ausgedruckt in Internetcafés oder Büros der vielen Exilgruppierungen, hängen aus. Junge Männer aus Simbabwe treffen sich hier, debattieren die Chancen der Oppositionspartei "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC), die mögliche Stichwahl um die Präsidentschaft und die Gerüchte über Verhandlungen um einen Abtritt von Präsident Robert Mugabe. Die meisten sind überzeugt, dass der lang ersehnte Machtwechsel unaufhaltsam ist. Doch noch können sie nicht durchatmen, Skepsis ist geblieben.
"Das lange Warten auf die Zahlen der Wahlkommission ist schmerzhaft", sagt Bheki Sibanda, Koordinator für die Exilantengruppe Frieden und Demokratie in Simbabwe. "Es ist klar, dass wir die Wahlen gewonnen haben, aber er kann sie noch stehlen." Mit "er" ist der 84-jährige Mugabe gemeint, ein sturer Mann, finden die Exilanten. Trotz der Anspannung ist die Stimmung am vielbesuchten Infostand gepaart mit Freude über den Vorsprung der oppositionellen MDC und ihres Führers Morgan Tsvangirai, und Pläne für die Zukunft werden geschmiedet: "Wenn Morgan übernimmt, packen wir unsere Sachen", meint der 40-jährige Sibanda.
Mehr als drei Millionen Simbabwer sind - oftmals illegal - über die Grenzen nach Südafrika gewandert, um Mugabes Regime und der hohen Arbeitslosigkeit zu entkommen. Die Jahre im Nachbarland sind für viele Flüchtlinge hart, und niemand will mehr Zeit als notwendig in Johannesburg verbringen, dem Zentrum für die Mehrheit der Simbabwer. In Südafrika sind sie selten willkommen, sie werden als Quelle von Kriminalität angesehen.
"Wenn wir gehen, wird es keine Gewalt mehr in Südafrika geben", scherzt Sox Chikohwero, stellvertretender Vorsitzender der "Zimbabwe Diaspora Civic Society Organisation". Die Ausländerfeindlichkeit der Südafrikaner gegenüber ihren schwarzen Brüdern aus dem terrorisierten Nachbarstaat bedrückt sie, denn es sind immer wieder die Simbabwer und andere Migranten aus Afrika, die für die beispiellos hohe Gewaltrate in Südafrika verantwortlich gemacht werden. Die meisten schlagen sich mit kleinen Jobs wie Autowaschen, Süßigkeiten- und Zigarettenverkäufen oder Gartenarbeiten und Kellnern durch, manche schlafen in den Straßen der Innenstadt oder in überfüllten billigen Unterkünften. "Nicht alle haben die Möglichkeit, das Netzwerk zu unterstützen", sagt Sox. Der 44-Jährige fühlt sich in besserer Position, da der ehemalige Direktor in Simbabwes Sicherheitskräften seine Verfolgung durch Mugabes Schergen nachweisen konnte und vor fünf Jahren die Anerkennung als politischer Flüchtling erhalten hat. "Das gelingt den wenigsten", sagt Sox, der in Simbabwe mit Elektroschocks an den Genitalien und anderen Methoden schwer gefoltert wurde und fast umkam. "Südafrika hat die Krise in Simbabwe nie richtig anerkannt."
Der Kampf um die Freiheit aus dem Exil gibt auch Kraft. Die simbabwischen Oppositionellen haben eigene Organisationen gegründet und arbeiten mit südafrikanischen Nichtregierungsorganisationen zusammen für ein demokratisches Simbabwe. "Wir haben gute Kontakte zu Institutionen hier und auch international aufgebaut, das ist die Stärke unserer Lobbyarbeit", sagt Sox weiter. "Wir alle haben durch unsere Arbeit geholfen, Simbabwe zu befreien." Und die Familien auf der anderen Seite haben durch das Zubrot ihrer Angehörigen aus Südafrika - in Form von Lebensmitteln oder ein wenig Geld - überlebt. Sox hofft nun, im künftigen Kabinett seines alten Freundes Morgan Tsvangirai mitzuarbeiten.
Der Wiederaufbau geschieht nicht über Nacht, warnt Nixon Nyikadzino, Mitarbeiter in der "Crisis in Zimbabwe Coalition". Und der Rückstrom der Flüchtlinge werde auch nicht am ersten Tag riesengroß werden, weil die meisten wohl erst abwarten. Wenn sie sehen, dass es zuhause wieder Überlebensmöglichkeiten gibt - dann beginnt langsam die Reisewelle, meint Nyikadzino. "Aber sollte es doch zur Stichwahl kommen, ermutigen wir alle, nach drüben zur Wahl zur gehen. Es gibt auf jeden Fall Raum für einen politischen Übergang." Und wenn es dazu nicht kommt? "Wir sind bereit, für unser Recht zu kämpfen."
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