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Ex-Präsidenten mit FußfesselSarkozys schlanker Fuß

Manche Gefängnis-Apologeten entdecken im Knast ihre Liebe zur Straffreiheit. So könnte man eine Reihe anderer Probleme beheben.

Nicolas Sarkozy nachdem er aus der Haft entlassen wurde am 11.11.2025 Foto: AgenceBestimage/imago

M anchmal muss man Dinge am eigenen Leib erfahren, um sie zu begreifen. Oder besser gesagt: am eigenen Fußknöchel. Dieser wurde quasi zur Achillesferse des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro. Bekanntermaßen ein großer Fan der Militärdiktatur, gewann er 2019 die Wahlen mit Aussagen wie: „Nur ein toter Bandit ist ein guter Bandit.“ Doch seit er den elektronischen Überwachungssender am Knöchel trägt, hat er wohl kalte Füße bekommen.

Der einstige Befürworter von Gefängnis- und Todesstrafen entdeckte prompt seine Liebe zur Straffreiheit. Mit Lötkolben versuchte er, den Klotz am Bein zu lösen – „aus Neugier“, versteht sich. Diese Woche wurde Bolsonaro für versuchten Staatsstreich zu 27 Jahren Haft verurteilt. Eine ähnliche Entwicklung durchlief sein französischer Amtskollege Nicolas Sarkozy. Früher wetterte der noch gegen „Vollzugslockerung“: Man müsse sich von „laxer Strafpolitik“ abwenden.

Nach Korruptionsskandalen machte der Ex-Präsident sich im Februar einen schlanken Fuß, indem er diesen mit Elektrofessel schmücken ließ. Statt in den Knast zu gehen, durfte er dergestalt im Hausarrest bleiben. Ein Haus, in dem es sich vermutlich auf großem Fuß leben lässt.

Leider kam dann heraus, dass Sarkozy in einer kriminellen Vereinigung von einem verurteilten Terroristen ca. 6 Millionen Euro entgegengenommen hatte und dafür den Haftbefehl gegen diesen aufheben wollte. Abdallah Senoussi wird ein Bombenanschlag zugerechnet, bei dem 170 Menschen starben.

Für diese unangenehme Geschichte reichte dann auch keine Fußfessel mehr. Ganze 20 Tage verbrachte Sarkozy kürzlich in einer 9-Quadratmeter-Zelle, es sei „hart, sehr hart“, ein regelrechter Albtraum. „Tagebuch eines Gefangenen“ lautet der Titel des Buches, an dem Sarkozy nun schreibt. Man wartet gespannt auch auf einen melodramatischen Bestseller von Bolsonaro. Beide Ex-Präsis sind laut Anwälten zu alt (70) und zu angeschlagen für den Knast und die dortigen VIP-Zellen. Och Gottchen.

Entfesselt sich bei den beiden Gefängnis-Apologeten etwa ein abolitionistischer Liberalismus? Auf die Art dürften sich eine Reihe anderer Probleme recht schnell beheben lassen. Alexander Dobrindt in einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ abschieben, Boris Pistorius für eine Kriegsfront rekrutieren, Friedrich Merz das Bürgergeld sanktionieren – und dann reden wir noch mal.

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Redakteurin taz1
Hat Philosophie und Literatur in Frankreich, Brasilien und Portugal studiert und bei der Deutschen Welle volontiert.
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