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Ex-Minister über Sarkozys Militär-Pläne"Ein Europa der Verteidigung"

Das neue französische Weißbuch über die Verteidigung dramatisiert Bedrohungen auf amerikanische Art, meint Ex-Verteidigungsminister Quilès.

Ein französischer Soldat am Hafen von Beirut. Bild: dpa

taz: Herr Quilès, das Weißbuch beschreibt Gefahren und Bedrohungen auf einer Achse zwischen dem Nahen Osten und Afghanistan. Teilen Sie diese Analyse?

Paul Quilès: Es ist bedauerlich, dass das nicht in einem europäischen Rahmen geschehen ist. Es bringt nichts, die Gefahren aufzulisten, die auf Frankreich lasten, während wir uns darum bemühen, ein Europa der Verteidigung zu umschreiben.

Sind die Bedrohungen denn korrekt analysiert?

Die Bedrohungen sind real. Nichts ist erfunden. Aber die Auflistung dieser Drohungen und ihre Nebeneinanderstellungen, auf eine sehr dramatisierende Art - das erinnert an die Analyse von Herrn Bush. Eine europäische Analyse der Bedrohungen wäre nötig gewesen, um herauszufinden, welche Antworten wir brauchen. In diesem Weißbuch wird eine Art Kontinuität zwischen der äußeren Verteidigung und der inneren Sicherheit hergestellt. Das Risiko ist, dass wir in die amerikanischen Exzesse hineingeraten.

Ist das Weißbuch ein Teil der Annäherung Frankreichs an die USA?

Frankreich nimmt eine Entscheidung zurück, die es vor 40 Jahren gefällt hat. Sie gab unserem Land eine originelle Position in Europa. Das wird Deutschland und Großbritannien, die Länder, die am aktivsten in der Verteidigung sind, dazu zwingen, künftig alle Fragen in der Nato zu regeln - unter starkem amerikanischem Druck.

Die Rückkehr in die Nato ist ein Fehler?

Wenn Frankreich ein Gewicht haben will, dann kann das nur auf dem Weg über Europa geschehen. Wenn Europa ein Gewicht haben will, kann das nur auf dem Weg über eine autonome Verteidigung geschehen. Neben der Nato. Und manchmal mit ihr. Mit einer europäischen Armee und einem eigenen Planungszentrum.

Europa ist ein wichtiges Thema im Weißbuch.

Aber es gibt zu Europa nichts Neues. Neu wäre es gewesen, die Ziele gemeinsam zu entwickeln. Man muss sich gemeinsam an den Tisch setzen, um die Bedrohungen zu analysieren, die Ziele und die Mittel. Sonst befinden wir uns komplett in den Händen der Amerikaner.

INTERVIEW: DOROTHEA HAHN

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