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Ex-Korrespondentin klagt gegen SpiegelDie falsche Muttersprache

14 Jahre arbeitete Padma Rao mit Zeitverträgen als „Spiegel“-Korrespondentin in Indien. Als sie eine feste Stelle fordert, wird ihr Status bestritten.

Hamburg mauert: der „Spiegel“ will offenbar nichts mehr davon wissen, dass Padma Roa für das Magazin als Korrespondentin gearbeitet hat. Bild: dpa

Das Telefon klingelt, Februar 2012, Padma Rao hebt den Hörer ab. Sie sitzt in ihrem Homeoffice in Neu-Delhi, über 6.000 Kilometer Luftlinie von Hamburg entfernt. Der Auslandsressortleiter des Spiegels ist am Apparat. Er sagt ihr, so erzählt es die langjährige Korrespondentin, dass der Spiegel das Büro in Delhi dichtmachen würde.

Für die Inderin bedeutet das: Ihr Vertrag wird nach 14 Jahren nicht verlängert. Doch das Büro schließt nicht, wie im Gespräch angekündigt. Im September 2012 kommt ein Nachfolger für sie nach Delhi, ein Deutscher mit deutschem Pass.

„Würde der Spiegel meinen Fall in seinem Magazin ausbreiten, mit der gerühmten journalistischen Objektivität, er müsste sich selbst mit sarkastischem, hinrichtendem Spott überschütten und gnadenlos aburteilen“, schreibt Rao Anfang 2013 in einer E-Mail an die taz. Im Betreff steht „Spiegel-Manieren“.

Rao ist qualifiziert, hat Germanistik studiert, jahrelang in Deutschland gelebt und für zahlreiche deutsche und indische Medien gearbeitet, bevor sie zum Spiegel kommt. Am 1. Mai 1998 hat sie ihren ersten Arbeitstag, wird in Hamburg instruiert, bevor sie ihre Korrespondentenstelle in Delhi antritt.

„Freie Mitarbeiterin“

Ihre Geschichten schreibt sie auf Englisch, obwohl sie fließend Deutsch spricht, ihr Vorgänger Tiziano Terzani hat das auch so gehandhabt. Rao macht ihr Netzwerk aus Kontakten dem Spiegel zugänglich, sie macht Themenvorschläge, sie schreibt. Im Grunde macht sie all das, was Korrespondenten so machen.

Das Wort Korrespondentin wird in ihrem Vertrag jedoch mit keinem Wort erwähnt. Sie ist „freie Mitarbeiterin“. In den jährlichen Akkreditierungsschreiben an die indische Regierung und in den Spiegel-„Hausmitteilungen“ wird Rao als Korrespondentin und Leiterin des Südasienbüros bezeichnet.

„Die ersten zehn Jahre habe ich wirklich gerne für den Spiegel gearbeitet“, sagt Rao, „auch wenn die Ungleichbehandlung durch die vertraglichen Vereinbarungen im Gegensatz zu den anderen Korrespondenten nicht zu übersehen war.“ Weniger Einkommen, keine soziale Absicherung. Ja, sie hat die Verträge, die immer auf ein Jahr befristet waren, so unterschrieben. „Wer sagt denn Nein zu einer Adresse wie dem Spiegel?“, fragt die alleinerziehende Mutter.

Im Jahr 2001, drei Jahre nach ihrem Arbeitsbeginn, startet Rao den ersten Versuch, ihren freien Mitarbeiterstatus zu verändern – sie verfasst einen Brief mit ihrem Anliegen, auf Deutsch. Ohne Erfolg. Raos Anliegen wird mit dem Hinweis auf die schwierige finanzielle Situation abgetan.

Wehrt sich: Padma Rao. Bild: privat/Sabina Mathay

Abgesprochene Kompetenzen

„Mit einem Führungswechsel im Auslandsressort hat sich aber auch die gute Stimmung der Zusammenarbeit geändert“, sagt Rao. Immer mehr Kompetenzen werden ihr abgesprochen, sie bekommt Koautoren zu Seite, ihre Themenvorschläge werden häufiger abgelehnt.

2009 und 2010 erkrankt sie an Krebs, das schränkt sie zusätzlich ein. „Das führte mir die Dringlichkeit einer besseren sozialen Absicherung und Altersvorsorge vor Augen.“ Sie fordert erneut, fest angestellte Korrespondentin zu werden. Gleiche Arbeit, gleiche Rechte. Diesmal bestreitet der Spiegel jedoch, dass sie jemals Korrespondentin gewesen sei.

In einem Schreiben vom 18. Januar 2011 heißt es aus dem Spiegel-Verlag: „Niemand bestreitet deine journalistischen Fähigkeiten: Es ist der zentrale Punkt, die schön geschriebene Geschichte, wie sie ja auch nur von einem Muttersprachler erwartet werden kann, die eine Korrespondentenstelle außer Reichweite rückt.“

Raos Anwalt sieht in der Argumentation des Spiegels, dass sie keine Muttersprachlerin sei, einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Im Dezember 2011 reicht Rao beim Arbeitsgericht Hamburg eine Klage ein. Das Gericht solle feststellen, ob es sich bei ihr um ein Festangestelltenverhältnis handele. Nach der Klage bietet der Spiegel Rao eine Vergleichssumme an. Rao lehnt ab. Zu einer Verhandlung vor Gericht kommt es allerdings nicht. Die Richterin weist die Klage aus formalen Gründen ab.

Doch selbst wenn es zu einem Prozess gekommen wäre, wären ihre Aussichten nicht erfolgversprechend gewesen. Denn vor Gericht zählt nur das, was im Vertrag steht – egal ob der Spiegel Padma Rao im eigenen Magazin oder vor der indischen Regierung als Korrespondentin bezeichnete. Außerdem hätte zunächst geklärt werden müssen, ob indisches oder deutsches Recht angewendet werden soll. Padma Rao hat nun wieder Klage eingereicht, in Indien: wegen unfairer Arbeitsbedingungen und Diskriminierung aufgrund von Ethnie und Geschlecht. Der Spiegel möchte sich dazu nicht äußern*.

*Leider wird hier der Eindruck erweckt, der Spiegel habe sich überhaupt nicht zum Fall Padma Rao geäußert. Das kritisiert der Kollege Clemens Höges im Spiegelblog zu Recht. Im ursprünglichen Text war eine Passage enthalten, in der das deutlich wurde. Diese entfiel beim Kürzen des Textes. Die Verantwortung liegt also nicht bei der Autorin. Wir bitten für diesen handwerklichen Fehler um Entschuldigung, Daniel Schulz, Ressortleiter taz2/Medien.

Die entfallene Passage aus dem Originaltext lautet:

Im Jahr 2001, drei Jahre nach ihrem Arbeitsbeginn, startete Rao ihren ersten Versuch ihren freien Mitarbeiterstatus zu verändern – sie verfasste einen Brief mit ihrem Anliegen, auf Deutsch. Sie schaltete den Betriebsrat ein, den sie in ihrer Zeit beim Spiegel mitgewählt hat. „Außer mir, der einzigen nicht-deutschen Staatsbürgerin, waren alle Korrespondenten fest angestellt,“ sagt Rao. Nur eine Ausnahme sei ihr bekannt. Es gebe einen Korrespondenten, der sich, anders als sie, freiwillig für einen freien Vertrag entschieden haben soll.

Überprüfen lässt sich das allerdings nicht. Der Spiegel selbst möchte dazu keine Stellungnahme abgeben. Mitarbeiterverträge unterliegen der Vertraulichkeit, heißt es aus dem Auslandsressort.

Gekürzt und zu verallgemeinernd übernommen wurde dann eine Passage aus dieser Textstelle:

Raos Anwalt sieht in der Argumentation des Spiegels, dass sie keine Muttersprachlerin sei, einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Spiegel möchte sich öffentlich nicht dazu äußern, das sei auch zum Schutze Raos.

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15 Kommentare

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  • GM
    Gerd Meissner

    Kudos an die taz: 1) für diese Geschichte. Sehe ich das falsch, oder hat sich da kein anderes Medium in Deutschland bisher herangewagt? 2) für die Korrektur, mit der sich die Redaktion hinter die Arbeit der Autorin stellt.

     

    Klar professioneller, finde ich, als das Herumgeeiere in Hamburg.

     

    Als ehemaliger freier taz- und spaeterer Redakteur andernorts (alles in grauer Vorzeit) habe ich mir mal erlaubt zu kommentieren (in der Sprache meiner Wahlheimat - ich bin Immigrant ;-), was die taz-Geschichte ausgelöst hat, und auch aus den Kommentaren hier zitiert: Let’s Blog, Says Germany’s Der Spiegel, Accused of Racism and Neo-Colonialism

  • DD
    Dr. Diepiriye Kuku-Siemons

    German is not Ms. Rao's mother tongue? Germany is not Ms. Rao's fatherland? That may have worked back when readers had a lust for "objectivity." Yet, in today's world, with the deep social interconnectivity afforded by the Internet and international travel, readers know that the old way of doing things was never really "objective," but the perspective of well-reputed German authorities known as the recently dismissed editorial board.

     

    I'm guessing that South Asia was so exotic to der Spiegel's editorial board that they simply had to make the mature decision to hire a professional such as Ms. Rao in the first place, but their German only sensibilities drove them to string her along for 14 years, during which their readers heavily benefitted. But the normal sort of "German only" way of doing things has caught up, and the realities of a multi-cultural workforce, i.e. change, just got to be too much for them to handle. Not only is that unfair to Ms. Rao, it's also unfair to their readers.

     

    Wow, what a fix! It's clear that der Spiegel is steeped in an old world way of doing things and relied on Ms. Rao's professionalism, dedication and flexibility as long as it served them. But Germany has changed, as have the needs, wants and desires of today's readers, who can no longer stand the taste of a "German only" perspective hiding behind der Spiegel's editorial board.

     

    One wonders if der Spiegel readers are actually evolving more quickly than the staunch old guard, and would genuinely rely on Ms. Rao's local knowledge and rich pool of contacts to deliver the intimate context required today.

  • LM
    Lutz Möller

    Tja, liebe TAZ, da berichtet ihr wohl mal wieder sehr, sehr einseitig.

  • L
    lowandorder

    @von Spiegelleser:

    "Tja. Ist wohl doch alles etwas anders: …

    Hier liegt wohl vor allem ein Fall von schludriger Recherche durch eine Volontärin vor."

     

    Gemach. "Eine Frage des Handwerks.

    von Auslandsressortleiter Clemens Höges"

    in Spiegelblock; ja - aber ich kommentier's

    mal dort so:

     

    "Ok, again;

    keine Kommentare&direkt nix sonst zu finden;

    so denn: der Vorwurf via Spiegel ist doch ein ganz anderer:

    Danach hat der Spiegel eine Journalistin über Jahre intern als freie Mitarbeiterin geführt, bezahlt und - keine Sozialabgaben abgeführt;

    Nach außen aber hat der Spiegel sie immer als Korrespondentin geführt, als die sie tatsächlich auch tätig war!

    Was das arbeitsrechtlich - und zwar unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung(Stichwort: Umgehungsgeschäft) - bedeutet, brauch ich wohl nicht zu erklären.

     

    Frage bleibt - wieso der Spiegel sich veranlaßt sieht, stattdessen auf einen Nebenkriegsschauplatz auszuweichen.

    " Nichtfortsetzung" wg Aufgabe der Korrespondentenstelle in Indien mit anschließender Weiterführung wäre dann das nächste Loch in der hier angebotenen - nunja - Stellungnahme."

     

    Spiegel? mit Verlaub - Nebelkerzen nennt man

    sowas gewöhnlich.

  • L
    Little

    Bitte berichtet weiter davon, das interessiert mich sehr, wie der Spiegel damit umgeht. Wenn das in etwa so stimmt ist es wirklich eine große Sauerei.

     

    Und Rolf Muellers Kommentar weiter oben ist großartig.

  • S
    Spiegelleser

    Tja. Ist wohl doch alles etwas anders: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelblog/taz-ex-mitarbeiterin-klagt-gegen-den-spiegel-a-892575.html

     

    Hier liegt wohl vor allem ein Fall von schludriger Recherche durch eine Volontärin vor.

  • L
    lowandorder

    @von Jörg Müller:

    "…

    Zum Glück ist es nicht so, sondern unabhängig davon, was im Vertrag steht, zählt das, was gelebt wird."

     

    Jörg Müller hat natürlich recht.

    Es ist nicht nur hier - auch sonst - etwas mehr als

    ärgerlich, daß nicht vor Veröffentlichung für solche Fragen

    entweder der fachlich versierte Kollege,

    oder ein paar Straßen weiter Profis wie Henner Wolter o.ä.

    gefragt werden.

     

    Der allfällige Satz:" …mir han ja och keen Vertrach…"

    is grad im Arbeitsrecht schlichter Unfug.

    Auch wenn auf einem anderen Blatt steht, ob und was immer

    genau beweisbar ist.

    Regelmäßig aber kennen grad Arbeitsrichter ihre

    Pappemheimer. Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter.

  • J
    JoHnny

    spiegel: padma rao

     

    werte jasmin kalarickal,

     

    wenn das tiziano terzani wüßte, würde er

    sich im grabe umdrehen - aber diesbezüglich

    wäre ein statement von der sorte "klare kante"

    durch den kompetenten spiegel-mitarbeiter und taz-mitgründer sowie kuratoriumsmitglied der

    taz panter stiftung michael sontheimer

    sicherlich hilfreicher...

     

    mfg

  • KK
    Karl K

    SPIEGEL - ?

     

    Seit Jahren - verfocussiert, überflüssig - unlesbar;

    so weit so klar;

     

    jetzt also auch - asozial!

    - da ist die Welt von Friede Springer

    und anderer Assis nicht mehr weit;

    wenn überhaupt.

  • M
    Mikki

    Das ist nicht untypisch, eher sogar typisch für unsere Medienlandschaft: Gestern noch lautstark die sozialen Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben beklagen, heute selbst überführt werden, dass man jahrelang "Zeitarbeitsverträge" verlängert hat und sich mit Scheinbegründungen aus der Affäre mogeln --- oder das Thema einfach wegschweigen. Im Prinzip dasselbe, wie bei dem anderen Magazin, in dem ein Jahr nach dem "Vorfall" angebliche sexuelle Belästigungen durch einen Politiker beklagt wurden, und zwei oder drei Wochen später kommen wieder diese Titelbilder, die mehr als einen #aufschrei wert wären. Oder in einem anderen Bereich: Die Tatsache, dass auf Baustellen von Ministerien immer wieder Schwarzarbeiter angetroffen werden.

    Und wie kann es dazu kommen ? Im Prinzip ganz einfach: In erster Linie wegen der "verantwortlichen" Menschen ohne Rückgrat. In zweiter Linie aus Profitgier. Und danach kommen noch ein paar Banalitäten wie mangelnde Sorgfalt, Konsequenz, Bildung, Ausbildung, Intelligenz.

    Ach ja: Aktuell berichtet Spiegel-Online über ein "gigantisches Netzwerk der Steuerhinterzieher" ... was ist das noch mal, wenn man Leute 14 Jahre lang beschäftigt, ohne Lohnsteuer und Sozialabgaben abzuführen ? Ja nee, gut, dass wir die "Werkverträge" haben. Wenn es sein muss, eben 365 Stück pro Jahr.

  • JM
    Jörg Müller

    Wie bitte...? In eurem Artikel steht: "Denn vor Gericht zählt nur das, was im Vertrag steht"

     

    Herzlichen Glückwunsch an alle Scheinselbständigen! Dann hätten die (bzw. deren Ausbeuter) ja ausgesorgt.

     

    Zum Glück ist es nicht so, sondern unabhängig davon, was im Vertrag steht, zählt das, was gelebt wird.

  • R
    rolfmueller

    So oft kann ich den Spiegel gar nicht abonnieren, wie ich ihn kündigen möchte.

  • MS
    Michael Schmidt

    Es wäre interessant, vom SPIEGEL zu erfahren, was er sich unter der "Muttersprache" von Indern und Inderinnen vorstellt.

     

    Die meisten Menschen in Indien wachsen dreisprachig auf, mit Englisch und Hindi als den beiden Amtssprachen und einer der über 150 Sprachen (nicht Dialekte) in diesem 1,2 Milliarden Menschen großem Land.

  • R
    Rimbaud5

    Vor dem Arbeitsgericht hätte Rao durchaus eine Chance gehabt, wenn die Klage zugelassen worden wäre (Welche "formalen Gründe" sprachen denn dagegen?). Es ist nicht richtig, wenn die taz schreibt, dass Arbeitsgerichte sich nur auf das beziehen, was in Verträgen steht, zumal dann nicht, wenn es sich um "freie Mitarbeiter" handelt. Entscheidend ist vielmehr, wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich gelebt wird, ob Rao in die Unternehmsorganisation des Spiegels integriert war und ob sie Weisungen unterlag. Die deutschen Arbeitsgerichte haben noch weitere Indikatoren in petto, die für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei "freien Mitarbeitern" sprächen.

  • L
    L.W.

    Soweit interessant. Dann kommt ein wichtiger Punkt zum Schluß: Diskriminierung "wegen Geschlecht". Liebe taz, das ist sehr unvermittelt und aus dem Artikel nicht zu verstehen. Findet ihr OK, wenn Frauen pauschal ihr Geschlecht als Grund für Ungleichbehandlung nennen oder gibt es dazu auch Fakten?

     

    Für jemanden, der etwas Erfahrung als Selbstständiger hat (und Freiberufler ticken da sicher ähnlich) sollte klar sein, dass man nur Verträge unterschreibt, die man versteht und die einem passen. Alles andere ist zumindest ungeschickt.

     

    Es steht auf einem anderen Blatt, dass der Spiegel hier nicht besonders sympathisch vorgeht - er nimmt sich aber genau das heraus, was bei freien Mitarbeitern passieren kann: Er verzichtet auf eine Vertragsverlängerung.