Ex-BND-Chef Geiger kritisiert BKA-Gesetz: "Da entsteht eine Art deutsches FBI"
Die Koalition hat sich auf ein BKA-Gesetz geeinigt. Ein qualitativer Sprung für die Behörde, findet Ex-BND-Chef Geiger. Und vermisst Schutzmechanismen für Bürger.
taz: Herr Geiger, Union und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Entwurf für das des BKA-Gesetz geeinigt. Sie warnen vor dieser Novelle. Warum?
Hansjörg Geiger war bis 1998 Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Von da an arbeitete der Jurist als Staatssekretär im Justizministerium, bis er 2005 wegen der Regierungsneubildung in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Heute ist der Jurist als Honorarprofessor tätig.
Nach zähem Ringen hatte sich die Koalition am Mittwochabend auf ein Gesetz zur Ausweitung der BKA-Kompetenzen für den Kampf gegen den Terrorismus geeinigt. Damit wird dem Bundeskriminalamt unter anderem die umstrittene Durchsuchung privater Computer zu Fahndungszwecken ermöglicht. Der Bundestag werde das Gesetz nächste Woche Donnerstag beschließen, sagte der CDU/CSU-Unterhändler Wolfgang Bosbach. Falls der Bundesrat ebenfalls zustimmt, kann es noch in diesem Jahr in Kraft treten. Die Einigung ist beim Richterbund und der FDP auf heftige Kritik gestoßen. "Das ist ein rechtsstaatlich absolut unzureichendes Ergebnis, das die FDP im Bundestag ablehnen wird", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvize und ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Hansjörg Geiger: Dieses Gesetz bringt eine deutliche Veränderung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Zum ersten Mal bekommt das Bundeskriminalamt präventive Befugnisse. Dies hat Auswirkungen auf die Länderpolizeien, die Nachrichtendienste und die Generalbundesanwaltschaft. In der Öffentlichkeit wird dies noch viel zu wenig wahrgenommen.
Die Länderpolizeien sind schon immer für die Abwehr von Gefahren und Straftaten zuständig. Was ist so dramatisch, wenn nun auch das BKA präventiv tätig sein soll?
Das BKA ist personell und technisch ganz anders ausgestattet als ein Landeskriminalamt, das führt zu einem qualitativen Sprung. Denn das BKA kann und wird von diesen Befugnissen - Lausch- und Spähangriff, Computer- und Telefonüberwachung - viel mehr Gebrauch machen als die Länder. Da entsteht eine Art deutsches FBI.
Das BKA ist doch schon seit Jahrzehnten für die Terrorbekämpfung zuständig...
Ja, bisher aber nur zur Strafverfolgung. Und dabei unterstand das BKA immer der Kontrolle der Bundesanwaltschaft. Bei der Gefahrenabwehr besteht diese Kontrolle nicht.
Halten Sie Generalbundesanwältin Monika Harms wirklich für eine wirksame Kontrollinstanz gegen Polizeiexzesse? Immerhin hat sie im Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm selbst rechtswidrige Polizeirazzien gegen Gipfelgegner angeordnet.
Wenn man auf die letzten Jahrzehnte blickt, war die Bundesanwaltschaft eine dem Rechtsstaat verpflichtete Behörde. Ich habe zu ihr Vertrauen.
BKA-Präsident Ziercke prognostiziert, dass sein Amt nur etwa fünf Mal im Jahr größere präventive Einsätze haben wird. In den meisten Fällen blieben die Länder für die vorsorgliche Überwachung von islamistischen Gefährdern zuständig. Mit wie vielen präventiven BKA-Einsätzen rechnen Sie?
Eine exakte Prognose ist schwierig; jedoch ziehen neue Kompetenzen oft neue Aufgaben an. Aber Ihre Frage weist auf ein ungelöstes Problem des Gesetzentwurfes hin: Es ist nicht klar geregelt, wann nun das BKA und wann die Länder für die Abwehr internationalen Terrors zuständig sind. Deshalb droht eine doppelte Zuständigkeit, die die Bürger übermäßig belastet, zudem ineffizient ist und politische Verantwortlichkeit verwischt.
Wie sieht die Aufgabenteilung mit dem Verfassungsschutz aus? Ist die deutlicher?
Leider nein. Wie schon der Verfassungsschutz wird auch das BKA zunehmend im Vorfeld von Gefahren ermitteln. Außerdem erhält das BKA immer mehr heimliche Ermittlungsbefugnisse. Auch da droht ein Zuständigkeitskonflikt. Und der Betroffene kann sich überhaupt nicht wehren, weil er von heimlichen Maßnahmen ja nichts mitbekommt.
Was schlagen Sie vor?
Bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen sollte der Staat einen Bürgeranwalt beauftragen, die Rechte der Betroffenen wahrzunehmen, auch wenn diese zunächst nichts davon erfahren.
Gibt es solche Modelle bereits in anderen Staaten?
Nein, aber ich halte die Einführung neuer Schutzmechanismen für dringend erforderlich. Schließlich ist der Bürger bei heimlichen Maßnahmen am verletztlichsten, kann sich aber zugleich am wenigsten zur Wehr setzen.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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