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Eve Raatschen Der MiethaiDie Kinder von oben sind zu laut? Lieber reden als klagen

Morgens um sieben könnte die Welt so schön in Ordnung sein – würden nicht die Kleinen aus der Wohnung oben über die Dielen poltern und dabei ihrer Lebensfreude lautstark Ausdruck verleihen. Kinderlärm im Mietshaus kann die Nachbarn höllisch nerven. Aber: Muss der Vermieter dagegen einschreiten? Und kann man als geplagter Nachbar die Miete mindern?

Über das Thema wird viel gestritten. Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil aus dem letzten Jahr deutliche Worte gefunden: Kleinkinder seien naturgemäß nicht in der Lage, ihr Unbehagen differenziert auszudrücken und bedienten sich akustischer Äußerungen, die von anderen als Schreien oder Brüllen wahrgenommen werden. Rennen und festes Auftreten stellen bei Kleinkindern die normale Fortbewegungsart dar, auch wenn andere dies als Poltern oder Stampfen empfänden. Dies sei von Mietern als ein Schritt der natürlichen Entwicklung von Kindern hinzunehmen und entspreche normaler Wohnnutzung.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 22. August dieses Jahres dieses Urteil im Grundsatz bestätigt (VIII ZR 226/16). Er wies allerdings darauf hin, dass auch Kinderlärm nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität von Mitmietern hinzunehmen ist. Demnach müssen Eltern und Kinder auf Belange und Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht nehmen.

Wann genau diese Grenze überschritten ist, dazu äußert sich der Bundesgerichtshof nicht – sondern verweist auf den Einzelfall. Klarheit bringt dieser Beschluss also nicht. Er zeigt allerdings, dass bei nachbarschaftlichen Streitigkeiten – sei es um Kinderlärm oder andere Lärmquellen – eine gerichtliche Auseinandersetzung in der Regel keine Klärung bringen wird. Gerichtsverfahren dauern lang, der Ausgang ist ungewiss, das Kostenrisiko hoch.

Vermieter wiederum sind wenig daran interessiert, sich einzumischen. Wirklich hilfreich ist nur Reden und Verständnis für die Situation des jeweils anderen. Mieter helfen Mietern kooperiert in solchen Fällen mit MediatorInnen: Ihnen kann es gelingen, auch bei schwierigen Gesprächen zu guten Lösungen zu gelangen.

Eve Raatschen ist Juristin beim Verein Mieter helfen Mietern, Bartelsstraße 30, Hamburg, ☎040/431 39 40, www.mhmhamburg.de

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