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Europawahl in DeutschlandUnion schwach, SPD schwächer

Die CDU verliert Prozente - und siegt trotzdem. SPD stagniert erneut auf historischem Tief. Grüne sind drittstärkste Kraft. Die FDP gewinnt, was die Union verliert. Auch die Linke legt zu.

Wie tief geht's noch? SPD-Chef Müntefering am Wahlabend. Bild: ap

BERLIN taz | Die Union hat die Europawahl in Deutschland trotz deutlicher Verluste gewonnen. Die SPD schafft den erhofften Befreiungsschlag nicht.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF dürften die Sozialdemokraten am Sonntag sogar unter ihren historischen Tiefpunkt von 21,5 Prozent vor fünf Jahren rutschen. Sie kommt demnach auf 20,8 bis 21 Prozent.

CDU und CSU kommen nach den Hochrechnungen auf 37,8 bis 38 Prozent - mehr als fünf Punkte weniger als 2004. Ein deutlicher Verlust - allerdings hat die FDP fast in gleicher Höhe zugelegt: Sie erreicht mit 10,7 bis 10,9 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Europawahl. Vor fünf Jahren waren es bloß gut sechs Prozent gewesen.

Die Grünen liegen mit 12,1 Prozent wahrscheinlich über ihrem Rekordergebnis von vor fünf Jahren.

Die Linke verbessert sich auf 7,3 bis 7,6 Prozent (von gut sechs Prozent). Die übrigen Parteien kommen auf knapp elf Prozent.

Die erstmals bei einer Europawahl antretenden Freien Wähler schafften trotzdem den Sprung ins Europaparlament nicht. Rechtsextreme Parteien spielten so gut wie keine Rolle.

Die CSU kommt in Bayern auf gut 48 Prozent und schafft damit klar den Sprung über die bundesweite Fünf-Prozent-Hürde. Sie erreicht damit ein deutlich besseres Ergebnis als bei der Landtagswahl im September, wo sie mit 43,4 Prozent ein Debakel erlebt hatte.

Enttäuschte Sozialdemokraten

"Das ist für uns ein schwieriger Abend", sagte der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering nach Bekanntwerden der Prognose. "Das Ergebnis ist deutlich schlechter als erhofft", sagte Müntefering.

"Wir sind sehr enttäuscht", sagte auch das SPD-Vorstandsmitglied Andrea Nahles. Sie sagte aber, Kanzlerin Merkel könne "kontinuierlich nicht gewinnen".

Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte die Unionsparteien schon vor Schließung der Wahllokale am Sonntag auf Verluste bei der Europawahl ein. "Vor fünf Jahren hatten wir eine außergewöhnliche Situation", sagte die CDU-Vorsitzende der Bild am Sonntag auf die Frage, ob CDU und CSU wieder ein Ergebnis über 40 Prozent erzielen würden.

Bei der Europawahl 2004 waren die Unionsparteien zusammen auf 44,5 Prozent der Stimmen gekommen. Die SPD stürzte auf 21,5 Prozent ab. Die Grünen kamen auf 11,9 Prozent, die FDP auf 6,1 Prozent und die Linke - damals noch die PDS - ebenfalls auf 6,1 Prozent.

Kanzlerin redet Ergebnis schöner

Merkel verwies darauf, dass die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder seinerzeit wegen ihrer Arbeitsmarktreformen massiv in der Kritik gestanden und deshalb ein "außergewöhnlich schlechtes Ergebnis" erzielt habe. "Von der Schwäche der SPD konnte die Union als damals größte Oppositionspartei überdurchschnittlich profitieren", sagte Merkel.

Freude dagegen gab es bei den drei kleinen Parteien. "Wir haben ein sehr starkes Ergebnis. Und wir sind von einem hohen Niveau gekommen", sagte der Grünen-Parteivorsitze Cem Özdemir. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart sagte, dies sei ein "historisches Spitzenergebnis".

FDP-Parteichef Guido Westerwelle sagte: "Keine Partei hat so zugelegt wie wir." Petra Pau, Mitglied im Fraktionsvorstand der Linkspartei, sagte, sie freue sich, dass keine rechtsextreme Partei aus Deutschland ins Europaparlament gewählt wurde.

Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl in Deutschland war erneut schwach. Bei oft regnerischem Wetter blieb die Zahl der Wählerinnen und Wähler in vielen Teilen des Landes nach Angaben der Wahlleiter hinter der Beteiligung im Jahr 2004 zurück. Bis zum Nachmittag gaben 20,2 Prozent der Wahlberechtigten und damit geringfügig weniger als bei der letzten Abstimmung vor fünf Jahren ihre Stimme ab, wie der Bundeswahlleiter mitteilte.

Bei der letzten Europawahl hatten zum selben Zeitpunkt 20,4 Prozent der Wahlberechtigen abgestimmt. 2004 gingen 43 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl. 1994 gab es immerhin noch eine Wahlbeteiligung von 60 Prozent, während sie 1999 auf 45,2 Prozent einbrach.

In der Bundesrepublik waren am Sonntag insgesamt 64,3 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen, darunter 62,2 Millionen Deutsche und 2,1 Millionen hier lebende EU-Ausländer. Sie wählten 99 Abgeordnete für das Europaparlament.

Dafür bewarben sich insgesamt 1.196 Kandidaten aus 32 Parteien und Gruppierungen, wovon 30 Bundeslisten aufgestellt hatten. Mit 99 Politikerinnen und Politiker stellt Deutschland als größter EU-Mitgliedsstaat die meisten Abgeordneten.

Neben den Europawahlen fanden noch Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt.

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8 Kommentare

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  • H
    Hurlefinz

    Tatsächlich wundert mich das bei der taz, die "Piratenpartei" nicht zu erwähnen. Das ist eine Partei mit Spezialthemen, wie der Erlaubnis, sich software usw für private Zwecke ohne Strafe nehmen zu können; und während BILD usw für "Verbot der Killerspiele" brüllt, brüllte die Piratenpartei genauso bild-haft dagegen, weil das ja tatsächlich keine Antwort ist. Eine Partei, die eigentlich nur einen Informationsminister stellen könnte, sonst aber nichts zu bieten hat - ist doch grade heute "cool", in Zeiten, in denen 43% wählen gehen. Also, was hammse geschafft, bei den jungen Julis und denen, die nicht FDP wählen wollen, aber doch sehr liberal, und zum Glück auch gegen zuviel Beschnüffelung sind?

  • H
    Hamburger

    @ yato

     

    Die Freien Wähler liegen in Hamburg bei im Schnitt 0,6% - was sollte da berichtet werden. Insgesamt besteht die Liste der "Sonstigen" aus 26 Parteien, dda kommen rechnerisch nur 0,4% auf jede Partei.

  • W
    Wahloman

    Das Ergebnis für Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg, Home of the Taz:

     

    CDU 9,0%

    GRÜNE 43,3%

    SPD 15,4%

    DIE LINKE 17,8%

    FDP 4,5%

    PIRATEN 3,4%

    TIERSCHUTZ 1,2%

     

    Quelle:

    http://www.wahlen-berlin.de/wahlen/europawahl-2009/ergebnis/vergleich/EU09-DIFFPVI0200.asp?TabTitel=Bezirk%20Friedrichshain-Kreuzberg (So, 7.6., 21:30 Uhr)

  • W
    Wahloman

    Das Ergebnis für Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg, Home of the Taz:

     

    CDU 9,0%

    GRÜNE 43,3%

    SPD 15,4%

    DIE LINKE 17,8%

    FDP 4,5%

    PIRATEN 3,4%

    TIERSCHUTZ 1,2%

     

    Quelle:

    http://www.wahlen-berlin.de/wahlen/europawahl-2009/ergebnis/vergleich/EU09-DIFFPVI0200.asp?TabTitel=Bezirk%20Friedrichshain-Kreuzberg (So, 7.6., 21:30 Uhr)

  • A
    Andreas

    Die SPD kriegt die Kurve auch nicht. Und das aus gutem Grund: Die SPD hängt immer noch im sozial-politischen Loch der Hartz-Gesetze, steigender Arbeitslosigkeit und einem üblen Nachgeschmack der Schröder-Jahre. Letztlich spiegeln die Akteure ( Müntefering, Steinmeier) auch diese alte Politik wieder. Diese Leute können gar nicht glaubwürdig für abgesrpungene SPD-Wähler werden.

    Diese Einsicht spricht sich aber nicht bei der SPD um, sondern dort sind wahrscheinlich alle froh, dass sie bereits jetzt wissen, wer im Herbst seinen Ruhestand verkünden darf: Müntefering und Steinmeier.

    Natürlich hätte es mit Beck auch nicht viel besser ausgesehen, denn der steht zur Politik der Agenda 2010 und nicht für eine Erneuerung der SOzial- und Wirtschaftspolitik der SPD.

    Der Finanzminister hat zudem wohl die Quittung für sein sinnloses Geld verteilen (Banken-Rettung, 500.000 EURO an Commerzbankvorstände) erhalten.

    Auch davon wird die SPD nichts wissen wollen, denn diese doppelten Standards sind eigentlich ein Skandal, auch wenn kaum eine Zeitung oder ein Medium überhaupt davon schreibt oder berichtet.

    Dass große Unternehmen ihre Verluste verstaatlichen und ihre Gewinne privatisieren und dann meist noch über die normalen Beschäftigten in ihren Betrieben herziehen, tut nicht gerade eine Stimmung für die SPD zu kreieren.

    Ich rechne mit einem weiteren Abstieg der SPD - die Grünen können eine rot-grüne Option solange abschreiben, bis sie selber bei 20 bis 30 Prozent liegen. Da taucht dann aber die Linke auf und die könnten im Bund sehr deutlich dazugewinnnen, hier haben sie wohl nur 1 oder 1,5 Prozent dazugeholt.

  • T
    Thomas

    Na aus den Wahlen läßt sich doch wieder nur eines ablesen, es waren in etwa so viele wie bei der letzten Wahl und das Ergenbnis ist nur eine Wanderung der Wählerschaft, ändern wird das so oder so nichts!

    Das was CDU/CSU verloren haben, wurde durch die FDP aufgefangen, doch sehe ich dahinter nicht den Zulauf für deren Politik, als eher einen gezielten Zulauf im Bezug auf die nächsten Bundestagswahlen.

    Das die CDU/CSU stärkste Partei zu dem Zeitpunkt sein wird steht doch schon außer Frage, mit dem Wählerwechsel will man nur ein Zeichen setzen um unsicheren Wählern einen Denkanstoss zu geben,wem sie ihre Stimme doch bei den Bundestagswahlen geben sollten.

    Mehr sehe ich nicht darin, klar werden Politiker wieder anders reden, aber an Erklärungen hat es denen ja noch nie gemangelt.

    Wenn Politiker richtig arbeiten würden, wären sie schon nach zehn Stunden fertig mit der Arbeit, alles andere ist doch eh nur Populismus der betrieben wird!

  • Y
    yato

    Niemand von den Medien zeigt wie die Piratenpartei und die Freien Wähler abgeschnitten haben.

    Sonstige haben 10 %

    Was soll das, darüber absolut nichts zu bringen?

  • RM
    Robert M. Soran

    Die klare Volksmehrheit hat entschieden: wir geben keiner daran teilnehnmende nPArtei unsereStimme. Denn wir halten NICHTS von dieser EU-Scheindemokratie.

     

    Die EU geht uns ALLEN am Analloch vorbei, und dies Jahr für Jahr immer mehr.