Europäische Fernsehmesse: Die Welt besser machen
Nachhaltigkeits- und Umweltdokus setzen auf neue Erzählformate. Auf der europäischen Messe in Cannes wurden sie nun vorgestellt.
Impact-Dokus, also Dokumentationen, die sich mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen, sind so gefragt wie nie. Zwar sind Naturfilme beispielsweise auf dem globalen Fernsehmarkt sowieso schon immer Seller, doch die unbequemen Wahrheiten über den Zustand unseres Planeten haben das Genre jetzt deutlich erweitert. Allein zu Nachhaltigkeit und Klimawandel präsentierten aktuell Medienkonzerne, Sender sowie Produzenten auf der weltgrößten TV-Messe der Welt MIPTV in Cannes eine ganze Reihe neuer Formate: etwa die koreanische Serie „The Wet Land“ über aquatische Ökosysteme, die Überflutungen vorbeugen, Verschmutzungen reduzieren oder den notwendigen Grundwasserstand sichern können.
„A Year on Planet Earth“ vom britischen Sender ITV wiederum möchte die Schönheit und Verletzlichkeit unserer Lebensumwelt zeigen. Mit modernster Technologie wurden Bilder der Erde aufgenommen und produziert. Neben der ARD sind auch der US-Sender Fox und ein chinesisches Unternehmen an der Produktion beteiligt. Das sind nur zwei Beispiele aus einem großen Fundus, der von den internationalen Programmeinkäufer*innen in Südfrankreich eifrig durchforstet wurde.
Bereits in über 170 Territorien rund um den Globus hat sich die internationale Version „Arctic Drift“ der UFA-Dokumentation „Expedition Arktis“ verkauft. Ein Jahr lang hatte ein Filmteam die Forschungsreise des Alfred-Wegeners-Instituts auf dem Eisbrecher „Polarstern“ begleitet und so die Faszination, aber auch die Gefährdung einer Weltregion festgehalten, die als Epizentrum des Klimawandels gilt.
„Es gibt einen ganz klaren Trend nach Impact-Dokus, wie überhaupt der journalistisch-dokumentarische Bereich stark nachgefragt ist“, äußerte sich UFA-Chef Nico Hofmann gegenüber der taz. Die Zeit, in der Hochglanzbilder mit malerischen Landschaften und wilden Tieren das Genre dominieren, gehe zu Ende: „Getrieben ist das vor allem durch die junge Generation, die sich mit den Themen auf einer ganz anderen, kritischeren Ebene befasst.“
Mediale Rezeption des Klimawandels
Das ist wohl auch der Grund, warum sich die BBC jetzt mit der Non-Profit-Organisation Moondance Foundation zusammengetan hat, um eine Kampagne zu starten, die von David Attenboroughs Serie „The Green Planet“ inspiriert ist. Die Produktion ist ebenfalls vor Kurzem erfolgreich auf den Markt gekommen, entstand in 27 Ländern und verwendete spezielle Zeitraffer – Fotografie, Spezialdrohnen und eigens für die Produktion aufwendig konstruierte Kamera-Rigs, um Vorgänge in Tier- und Pflanzenwelt sowie deren Gefährdung darzustellen.
„Die Serie betont die entscheidende Rolle, die Pflanzen bei der Erzielung und Aufrechterhaltung eines ausgewogenen Ökosystems spielen“, erklärte Attenborough. „Die Initiative #OurGreenPlanet soll uns alle dazu inspirieren, unser Leben zu hinterfragen und herauszufinden, wie wir einen nachhaltigen Einfluss auf die Gesundheit des Planeten nehmen können.“
Das auf Naturkunde spezialisierte britische Medienunternehmen Silverback produzierte schon 2019 die ambitionierte „Our Planet“-Reihe für Netflix, die ebenfalls von Attenborough moderiert wurde und die mehr als 200 Millionen Menschen erreichte. Silverback–Geschäftsführer Keith Scholey betonte, dass das Problem bei der medialen Rezeption des Klimawandels nicht darin liege, wie er dokumentarisch aufgearbeitet werde, sondern dass er in anderen Programmgenres kaum erscheine: „Es gab so gut wie nie mal einen Blockbuster-Spielfilm oder einen Rock-Song über den Klimawandel.“
Keine Bevormundung
Der britische Sender Sky hatte bereits Ende letzten Jahres eine Studie veröffentlicht, die in sechs europäischen Ländern durchgeführt worden war. Ergebnis: Fernsehen hat grundsätzlich die Macht, Verbraucher*innen zur CO2-Einsparung zu ermutigen. Ein Drittel des TV-Publikums habe aufgrund einer entsprechenden Berichterstattung seinen Lebensstil nachhaltiger ausgerichtet. Sky hat später zehn neue verhaltenswissenschaftliche Prinzipien festgelegt, um Sender dabei zu unterstützen, ihr Publikum zu nachhaltigem Verhalten zu animieren und sie mit gut aufbereiteten Informationen über den Stand der Dinge zu unterrichten.
Die Ansprache dabei, darüber ist sich die Branche einig, bleibt entscheidend. Denn kein*e Zuschauer*in möchte, gleichgültig zu welchem Thema, mit dem erhobenen Zeigefinger belehrt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen