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EurokolumneLeben im Paralleluniversum

Eric Bonse
Kolumne
von Eric Bonse

Die Sparpolitik der EU geht immer weiter. EU-Politiker sehen bereits erste Erfolge. Leben sie eigentich noch im selben Universum?

Die Wirtschaftskraft der EU-Länder schrumpft. Bild: dpa

G ipfel folgt Gipfel – doch trotz des unermüdlichen Einsatzes unserer Euroretter verschlimmert sich die Krise. Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern – die Länder purzeln wie Dominosteine. Die Rezession, die durch die Sparpolitik im Süden ausgelöst wurde, schwappt nun sogar Richtung Deutschland. Der Winter wird hart, 2013 dürfte es kaum besser werden.

Viele hatten die Hoffnung, Berlin und Brüssel würden umdenken, wenn es gar zu sehr brennt. Wenn Deutschland keine „Konjunkturlokomotive“ mehr ist und die Zahl der Joblosen auch in Stuttgart und München steigt, so die etwas zynische These, würde die Kürzungspolitik schon korrigiert. Vielleicht sogar noch rechtzeitig zur Bundestagswahl – Angela Merkel will ja wiedergewählt werden.

Doch die Auguren haben sich getäuscht. Das Spardogma wird nicht infrage gestellt. Mitten in der schwersten Rezession seit Einführung des Euro kürzen die Regierungen des Währungsraums. „Die Austerität muss weitergehen“, fordert Währungskommissar Olli Rehn unverdrossen. Die Rosskur zeige Wirkung: Den Krisenländern gehe es bei Licht betrachtet wieder besser, lautet die steile These der Euroretter.

privat
ERIC BONSE

ist Korrespondent der taz in Brüssel. Der Euro beschäftigt den studierten Politikwissenschaftler schon seit den 90er-Jahren, als er in Paris lebte und als Frankreich-Korrespondent von Tagesspiegel und Handelsblatt die ersten deutsch-französischen Scharmützel um die Gemeinschaftswährung miterlebte. Die Krise verfolgt der 52-Jährige auch in seinem Blog „Lost in EUrope“.

Bürgervertrauen schwindet

Offenbar leben sie in einem Paralleluniversum. Irland hat gerade das sechste harte Sparpaket in Folge aufgelegt, Gesundheitsvorsorge und Kindergeld werden gekürzt – und die Euroretter jubeln, dass sich das Land bald wieder an den Märkten finanzieren kann. Spanien weiß nicht mehr ein noch aus –und die Brüsseler Experten feiern, dass wieder mehr privates Kapital in das Land hineinfließt.

All dies seien Anzeichen dafür, dass das Vertrauen zurückkehrt, freut sich Rehn. Das Vertrauen der Bürger kann er nicht meinen, das ist auf einem historischen Tiefststand. Rehn geht es um das Vertrauen der Märkte – doch auch das ist schnell verspielt, siehe das Theater um die Rückkehr Berlusconis in Italien. Wer sich nur an Investoren orientiert, hat schon verloren.

Wie realitätsfern die Euroretter denken, zeigt auch die Phantom-Debatte um die Wettbewerbsfähigkeit. Auch viele Experten verstehen nicht, wie man die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern messen kann, die meisten Ökonomen halten dies sogar für kompletten Unsinn. Wie irreführend dieser Indikator ist, zeigt ein Blick auf das Ranking des Weltwirtschaftsforums in Davos. In diesem Jahr steht Holland wieder ganz oben auf der Liste. Dabei steckt das Land tief in der Krise, die Wirtschaft schrumpft sogar schneller als in Italien!

Noch mehr Reformen

Unsere Euroretter lassen sich davon jedoch nicht beirren, im Gegenteil. Währungskommissar Rehn und Kanzlerin Merkel konzentrieren sich wie immer auf die angeblich gute Nachricht: Dank der von Berlin und Brüssel verordneten Reformen hätten Spanien, Portugal und Griechenland an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen! Merkel nutzt diesen „Erfolg“ sogar, um das W-Wort zur neuen Priorität zu erklären – und noch mehr Reformen zu fordern.

Hier wird es vollends schizophren. Denn die angeblichen Fortschritte werden an sinkenden Lohnstückkosten und schrumpfenden Leistungsbilanzdefiziten gemessen. Beide sind aber logische Folgen des Sparkurses: Löhne werden gedrückt, Importe schrumpfen. Ein Erfolg wäre dies nur, wenn zugleich die Exporte steigen und neue Jobs geschaffen würden. Und wenn die Krisenländer genau wie Deutschland Exportnationen wären.

Nichts davon ist der Fall. Die griechische Wirtschaft hängt vor allem vom Tourismus ab, Portugal hat seine Textilwirtschaft verloren, Spanien knabbert noch an der geplatzten Immobilienblase. Die angeblich steigende Wettbewerbsfähigkeit hilft diesen Ländern erst einmal gar nichts. Im Gegenteil: wenn die Löhne weiter sinken, wird niemand mehr all die schönen Exportgüter kaufen können, auch nicht die aus Deutschland.

Was als Erfolg verkauft wird, ist also in Wahrheit ein Rezept für die Verlängerung der Krise. Und die wunderbaren Erfolgsmeldungen sind nicht viel mehr als Manöver unserer Retter, um von ihrer Ratlosigkeit abzulenken.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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10 Kommentare

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  • E
    Econome

    @von Schmidt:

     

    anderen Volkswirtschaftskurse empfehlen und selbst BWL für VWL halten: Ab hier gelten die Netiquette.

  • FB
    Florian Besser

    Darf man auch erfahren, was in unseren Überflussgesellschaften noch wachsen soll? Diese neo-sozialdemokratische Wachstumsideologie würde die betroffenen Staaten, die EU und unseren Planeten nur weiter ins Verderben treiben. In Spanien wurden jahr(zehnt)elang Geisterdörfer gebaut. Das hat zwar Arbeit gemacht, aber Umwelt und Wirtschaft sind daran zugrunde gegangen.

  • E
    Ebola

    Was gerade in der EU läuft, läßt sich gut mit Naomi Klein's "Die Schock-Strategie" erklären. Ein viel kritisiertes Buch, das jetzt Recht bekommt.

  • TE
    Thomas Ebert

    Sehr schöne Analyse der gegenwärtigen "Euro-Rettungs"- Politik. Leider fehlt der Lösungsansatz. Hier wäre die Abschaffung des Euro eine Möglichkeit. Doch dazu sind die Politiker nicht bereit. Der andere Weg wäre eine Transferunion, d.h. die dauerhafte Alimentierung schwacher Volkswirtschaften. Doch ein Europaweiter Länderfinanzausgleich ist ohne eine "Europaregierung" und die deutliche Herabstufung nationaler Regierungen und Parlamente nicht machbar.

  • S
    Schmidt

    Ich würde dem Autor empfehlen, mal ein Kurs für Volkswirtschaft an der VHS zu besuchen. Die Krise ist ein Folge von aufgeblähten Verwaltungen (in Frankreich z.B. sind 20 % aller Arbeitenden im öffentlichen Dienst beschäftigt), verkrusteten Strukturen und schlecht geführten Unternehmen. Gerade wir in Deutschland sind (noch) deshalb erfolgreich, weil deutsche Produkte auf dem Weltmarkt gefragt sind. Das liegt an den innovativen (zumeist mittelständischen) Unternehmen und an besseren Rahmenbedingungen, die die Unternehmen nicht so stark ausbremsen, hier wirkt auch die so viel gescholtene Agenda 2010. Es ist wenig hilfreich, sich in ein sozialromantisches Biotop zurückzuziehen, während man auf der anderen Seite des Globus erfolgshungrig ist, härter arbeitet und attraktivere Produkte zu attraktiveren Preisen herstellt. Wenn also die eingeleiteten Massnahmen in den EU-Krisenländern langsam zu greifen beginnen, dann ist das ein Hoffnungsschimmer und kein Parallel-Universum.

  • H
    hackman3

    Ratlos läßt den Leser auch Herr Bonse.

    Kein Wort darüber, wie er sich die Rettung des schuldenfinanzierten Wohlstands der Südländer vorstellt.

    Durch Transferleistungen von Nord nach Süd?

    Durch Anwerfen der Gelddruckmaschine bei der EZB oder etwa indem man die riesigen Vermögen der südländischen Eliten nur ein klitzkleinwenig schröpft (20% Einmalabgabe würden zur

    Sanierung der Haushalte völlig ausreichen).

    Bei Merkel weiß man, dass sie die Schulden durch Sparen wieder ins Lot bringen will. Was Rot/Grün vorhat, bleibt bis dato völlig nebulös. Als Wähler wüsste man aber schon gern, wie man dran ist.

  • E
    EMI

    Ok, dann möchte ich doch mal bitte wissen, was in der Krise die Patentlösung ist?

    Weiterhin Geld hinein pumpen, was es gar nicht mehr gibt? Die EZB die Notenpresse "anwerfen" lassen, obwohl gerade die Deutschen die Erfahrung mit der Inflation gemacht haben?

    Es gibt kein Patentrezept, also ist es Fahrlässig auf die Reformen "ein zu dreschen", ohne mal einen wirklich sinnvollen Vorschlag zumachen!

    Ich bin Offen für jede Idee, solange es nicht die Unabhängigkeit der EZB in Frage stellt und Kredite aufgenommen werden, die niemals jemand zurückzahlen kann.

     

    Jeder weiß, das die Sparreformen nicht "die" Idee ist, die alles löst und bin mir ziemlich sicher, das es andere Wege gibt! Aber ich sehe vor allem im Süden keinen wirklich Willen auf Fortschritt! Warum sind dann all die Milliarden an Strukturförderung versandet? So gesehen haben diese Länder Jahrzehnte lang Milliarden bekommen und müssten eine Top-Infrastruktur haben... wo ist die den bitte?

  • E
    Exodus200575

    Und wie sieht dann der Lösungsansatz des Autors aus ?

    Mehr Schulden machen ?

    Wer gibt den Ländern dann das nötige Kapital ?

    Fehlanzeige.

     

    Abgesehen davon, daß man Wettbewerbsfähigkeit sehr

    wohl messen kann, kann man diese auch ex post relativ

    leicht an steigenden Exporten festmachen. Ein Effekt, der

    in Irland und Spanien sehr wohl bereits zu sehen ist.

     

    Und wenn dies dazu führt,daß Deutschlands Handelsüberschuss

    mir Südeuropa sinkt ist das OK. Exporte die nicht bezahlt

    werden sind Geschenke. Aber das jetzt noch zu erklären .......

  • E
    eksom

    "Je gleichmäßiger das Einkommen einer Volkswirtschaft verteilt wird, desto höher ist der Konsum"!

    Nur in diesem einen einzigen Punkt, waren sich Friedman (Neo-Klassiker) und Keynes sich einig. Die meisten dummen Politiker/Innen habe diesen Satz bis heute nicht verstanden.

  • H
    Humankapital

    In freudiger Erwartung ersehne ich den gänzlichen Kollaps des Systems aus sich selbst heraus.

    Wenn die ganze Chose komplett implodiert wird es heiß in Europa.