Euro-Rettung: Schwarz-Gelb ohne Kredit
Die Bundesregierung behauptet plötzlich, ihr sei eine eigene Bundestagsmehrheit bei den Euro-Stabilisierungsgesetzen doch einerlei. Die Opposition höhnt.
BERLIN taz | Schwarz-Gelb richtet sich vorsorglich für den Fall ein, dass die Regierung bei der Euro-Rettung auf die Stimmen der Opposition angewiesen ist. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagt der Frankfurter Rundschau: "Wenn wir keine größeren Probleme haben als die Frage, ob die Mehrheit am 29. September 80 oder 85 Prozent beträgt, dann geht es dem Land doch gut". Am kommenden Donnerstag wird im Bundestag der erweiterte Euro-Rettungsschirm EFSF zusammen mit den parlamentarischen Kontrollmechanismen verabschiedet. Weil SPD und Grüne zustimmen, ist das Ja sicher.
Doch bei Union und FDP gibt es gut zwei Dutzend Skeptiker. In Probeabstimmungen hatten 25 mit Nein gestimmt oder sich enthalten. Wenn es bei der EFSF-Abstimmung bei Union und FDP mehr als 19 Abweichler gibt, wäre dies ein weiterer Tiefschlag für die nach der Niederlagenserie bei den Landtagswahlen 2011 fragile Regierung. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann frohlockt schon angesichts von Merkels möglicher Niederlage: "Natürlich braucht Merkel in einer so zentralen Frage eine eigene Mehrheit".
Es ist auffällig, dass Spitzenpolitiker von FDP und Union seit Tagen eindeutige Ansagen vermeiden. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kündigt zwar an, dass es schon noch gelingen wird, Zweifler zu überzeugen. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Union Peter Altmaier glaubt, dass "Schwarz-Gelb am 29. September EFSF mit einer eigener Mehrheit ratifizieren wird." Andererseits aber, so Altmaier, sei eine eigene Mehrheit "nicht entscheidend".
Oppermann hält dieses diffuse "Erwartungsmanagement" der Regierung für bezeichnend. "Fraktionschef Volker Kauder sagt, die Mehrheit muss eigentlich sein, Finanzminister Schäuble sagt, eine eigene Mehrheit ist nicht wichtig, und bei Angela Merkel weiß man wie immer nicht so genau, was sie will", so der SPD-Mann. Die SPD, so Oppermann, wird am 29. September auf jeden Fall auf namentlicher Abstimmung bestehen.
"Schluss mit der Selbstdarstellung"
Die vagen Ansagen aus Koalitionkreisen zeigen, dass die Fraktionspitzen unsicher sind, ob es zur eigenen Mehrheit reicht. FDP-Mann Frank Schäffler will bei seinem Nein bleiben. "Ich werde gegen das Gesetz stimmen, auch wenn nun eine ordentliche Beteiligung des Parlaments geplant ist. Denn die grundsätzliche Ausrichtung des Instruments Rettungsschirm ist falsch", so Schäffler zur taz.
In der Fraktionssitzung der Union nahm sich Fraktionschef Volker Kauder die Abweichler vor. Kein Parlamentarier, so der Merkel-Vertraute, werde gezwungen, mit Ja zu stimmen. Aber es müsse Schluss sein mit der Selbstdarstellung von Einzelnen auf Kosten der Fraktion. Dieser Angriff zielte auf die CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Klaus-Peter Willsch, die ihre Skepsis in den mehreren Medien ausführlich begründet hatten.
Die Abweichler werden nicht nur zum 29. September hin bearbeitet. Danach kommen Abstimmungen, die für Zweifler noch heikler sind: die Bewilligung des nächsten Griechenland-Kredits und der ESM, den viele für die Besiegelung der Transfer-EU halten. Die Fraktionsspitze ist nervös. Man müsse verhindern, so ein Union-Spitzenpolitiker, dass jede Euro-Abstimmung "zum Showdown wird".
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