Konstantes aufgelöstsein in der welt: Thomas Fehlmann gastiert im Click : Euphorisches rauschen
Eine epoche ist soeben zu ende gegangen. Sie wird als „tour of blah“ in erinnerung bleiben. Thomas Fehlmann benannte diese welttournee nach seinem 2002 auf dem label kompakt erschienenen album. Auf seiner homepage ragen die „tour of blah“-termine noch bis in den vergangenen monat hinein, danach ist schluss, obwohl Fehlmann ja erwiesenermaßen weiter auflegt und live spielt: samstagnacht zusammen mit dj Henry im Click, am 20. August mit Alex Patterson in Köln als Le Petit Orb. The Orb, ja auch der ambient-name – wenn es jemals einen gab – gehört zur „tour of blah“-zeit. Er trug maßgeblich dazu bei, dass diese ära im leben des berliners die bezeichnung „epoche“ redlich verdient hat.
War es doch die zeit, in der Fehlmann im großen stil zurückkehrte in die clubs. Er besuchte Peking und Guangzhou, trug seine blahvisionen nach Detroit, Warschau und Kyoto – allein, als teil der wieder erstarkenden The Orb, deren „floating member“ er ist. Und auch als produzent und dj des Ocean Club, jener posse rund um Monika Enterprise-chefin Gudrun Gut.
Anhand des multimedialen Ocean Club, der ja auch einmal monatlich als radiosendung auf fsk zu vernehmen ist, lässt sich auch erklären, was Fehlmann mit „visions of blah“ leistete: Da erzählt eine meerjungfrau geschichten aus den ozeanen, ein dichter erhält seine eigene kurzkolumne, und Fehlmann und Gut selektieren langsam schwingende tracks, die sie als „musica obscura“ bezeichnen. Die in einem studio irgendwo in Berlin-Schöneberg produzierten stücke von Fehlmann verklären ebenfalls die welt. Sie sind darin von einer bezwingenden präzision. Schon die verschiedenen rausch-varianten sind eindrucksvoll: Da gibt es angst einflößendes rauschen, euphorisches rauschen, „alles-ist-gut“-rauschen. Zu unterscheiden sind sie übrigens vom knistern; auch auf diesem gebiet zeigt sich Fehlmann absolut eloquent.
Seine tracks zeichnen sich also durch weite klangflächen aus und durch unterschwellig schlagende bässe, die einen zustand erzeugen: den flow. Selbst in seinen leisen, aus nichts als lichten hüllensounds bestehenden ambient-tracks ist dieses pochen immer irgendwo zu vernehmen, das ständig weitergeht, so dynamisch wie Fehlmanns leben: Ende der 70er schwamm der aus Zürich zugezogene in Hamburg der ndw voraus, als mitbegründer von Palais Schaumburg. In den 80ern verschlug es ihn nach Berlin, wo er ganz früh in techno involviert wurde. So entdeckte ihn auch Alex Patterson von The Orb als songschreiber. Inzwischen nennen sie ihn in Großbritannien „sir“, auch wenn ihn die queen noch nicht offiziell dazu ernannt hat.
Doch das „flowing“ – auch Fehlmanns webseite trägt diesen namen, sie heißt www.flowing.de – ist weit mehr als ein schieres weiterlaufen. Es handelt sich vielmehr um ein glücksgefühl, das sich beim marathonlauf ebenso einstellt wie beim tanzen. Ein aufgelöstsein in der welt ist dies, das vermutlich auch Fehlmanns nächste schaffensphase prägen wird. Das kalifornische Plug Research-label kündigt für den november ein neues album Fehlmanns an. Der titel steht schon fest: „Lowflow“. Christoph Braun
Samstag, 24 uhr, Click: djs Thomas Fehlmann und Henry