Eukalyptus-Boom: Nicht alles, was grün ist, ist gut
Eukalyptusbäume wachsen schnell - und somit der Profit. Von Vietnam bis Südafrika wird der Baum gepflanzt - ein ökologisches Desaster. Jetzt regt sich Widerstand.
Wer von Pietermaritzburg in der Provinz KwaZulu-Natal ins Landesinnere von Südafrika fährt, könnte meinen, im Knast gelandet zu sein. Links und rechts der Straße nichts als akkurate Reihen hoher Eukalyptusbäume, deren kahle Stämme die Straße säumen wie die Streben eines Gefängnisgitters. Dann zehn Minuten Fahrt entlang halbhoher Bäume, zehn Minuten Kahlschlag, zehn Minuten Setzlinge. Und wieder von vorne. Stunden-, ja buchstäblich tagelang.
Der immergrüne Eukalyptus (Eucalyptus) zählt zur Familie der Myrtengewächse. Der Name stammt von dem griechischen Wort kalyptus ab, was "versteckt" bedeutet und sich auf den haubenartig geschlossenen Blütenkelch bezieht, der die Samen verbirgt. Der Eukalyptus stammt ursprünglich aus Australien und der Osthälfte Indonesiens. Heute aber wachsen manche Arten auch in vielen anderen subtropischen Gebieten der Welt. In Australien besteht der Baumbestand heute bereits zu 70 Prozent aus verschiedenen Eukalyptus-Arten. Kein anderer Kontinent hat eine so starke von einer einzelnen Gattung dominierte Baummonokultur. Eukalyptus liefert in erster Linie Holz, aus Blättern und Zweigen wird aber durch Wasserdampf-Destillation auch ätherisches Öl gewonnen.
Grundbesitzer und Holzfirmen lieben diesen aus Australien stammenden Baum - nicht nur in Südafrika, wohin er ursprünglich für die Gewinnung von Stützbalken für die Goldminen gebracht wurde. Der Eukalyptus ist ein wahrer Wunderbaum. Er wächst rasant, egal ob es viel oder wenig regnet, die Stämme sind kerzengerade, das Holz ist hart, die Investitionen rechnen sich nach kürzester Zeit. Kein Wunder, dass Eukalyptusplantagen mittlerweile in immer mehr Regionen der Welt das Landschaftsbild prägen.
Nicht alles, was grün ist, ist auch gut. In Australien mögen Eukalyptuswälder ein Paradies sein für Koalabären. Den Tieren anderer Kontinente bieten sie hingegen kaum einen Lebensraum. Überdies lassen die Bäume nur wenige andere Pflanzen neben sich hochkommen. Große Eukalyptusplantagen gleichen deshalb seltsam stillen grünen Wüsten. Kein Vogel zwitschert, kein Insekt summt. Lediglich die eigenen Füße rascheln auf den herabgefallenen Eukalyptusblättern - dem Einzigen, was hier den Boden bedeckt.
Schlimmer noch, das schnelle Wachstum der Eukalyptusbäume hat seinen Preis. Bis in tiefe Schichten hinunter saugen sie den Boden aus. Besonders problematisch ist das in der Nähe von Quellen, denn diese trocknen dann leicht mal aus. Es mag Situationen geben, in denen diese Eigenschaft ein Segen ist. Gerade deswegen wurde Eukalyptus vor rund 150 Jahren nach Europa gebracht: Er sollte die malariaverseuchten Sümpfe in Italien und anderen südeuropäischen Ländern trockenlegen. Mit Erfolg.
Doch heute sind die Motive für Eukalyptuspflanzungen zumeist andere. "Ja wissen Sie denn überhaupt, wie lange andere Bäume brauchen, um zu wachsen?", lautete die erstaunte Gegenfrage eines vietnamesischen Forstwirts, als er darauf angesprochen wurde, warum in seinem Land die durch Krieg und Armut weitgehend zerstörten Tropenholzwälder allerorten durch Eukalyptusplantagen ersetzt werden. "Wenn wir nicht Eukalyptus anpflanzen würden, hätten wir ja zu Lebzeiten gar nichts mehr davon." Eukalyptusplantagen sind nach nur sieben Jahren schlagreif.
In weiten Teilen Afrikas setzt man gleichfalls auf Eukalyptus, so auch im dürren Hochland Äthiopiens. Im Morgengrauen legt sich dort der beißende Qualm nicht ausreichend getrockneter Eukalyptusscheite über die Dörfer. In den Hütten treibt er einem die Tränen in die Augen, und die Kehle kratzt so, dass man nicht einmal ein "Danke" für den Kaffee hervorbringt.
In dem steinigen Bergland haben Überbevölkerung und eine verfehlte Landeigentumspolitik kaum einen Baum übrig gelassen. Die nur hier vorkommenden knorrigen Erika-Bäume sieht man bloß noch in Naturparks. Doch allerorten entstehen mit staatlicher Förderung neue Eukalyptuspflanzungen. Auf langsamer wachsende Bäume glaubt hier niemand warten zu können. Zu nötig hat man den Brennstoff, das Bauholz, das zusätzliche Einkommen aus dem Holzverkauf und nicht zuletzt auch den Erosionsschutz.
Forstexperte Martin Tampe von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) plädiert aus diesen Gründen für eine differenzierte Betrachtung: "Wo sonst nichts wächst, wo also weder heimische Vegetation noch Lebensmittelproduktion verdrängt werden, da kann Eukalyptus sehr viel Segen stiften."
Der Tiefwurzler schützt besonders gut vor Erosion. Wo es nur selten, aber da- für umso heftiger regnet, verhindert er den allzu schnellen Ablauf des Was- sers. Daher unterstützt die GTZ auch kleine Pflanzungen in der westafrika- nischen Sahelzone - aber nur auf kleinen Flächen von jeweils ein paar Hek- tar und nur nach vorheriger Untersuchung der sozialen Gegebenheiten, der Bodenfruchtbarkeit und der Verfügbarkeit von Wasser, wie Tampe betont. Unter diesen Bedingungen können die Eukalyptus-Pflanzungen sogar den Druck von den noch vorhandenen Naturwäldern nehmen.
Solche Argumente können die Holzkonzerne in Brasilien nicht für sich ins Feld führen. Hier geht es um pure Profitgier - zu Lasten von Umwelt und lokaler Bevölkerung. "Mit Tempo in die Armut", unter diesem Titel hat daher Robin Wood eine Kampagne gegen die brasilianische Eukalyptusindustrie gestartet. Dem US-Konzern Procter & Gamble etwa wirft die Umweltorganisation vor, mit Zellstoff aus Brasilien Tempo-Taschentücher und Klopapier für den deutschen Markt herzustellen - und so indirekt für die Vertreibung von Tupinikim- und Guarani-Indianer verantwortlich zu sein.
Auf deren Land im Bundesstaat Espírito Santo breitet sich der brasilianisch-norwegische Zellstoffkonzern Aracruz schon seit den Zeiten der Militärdiktatur aus. Den ursprünglichen Küstenurwald, die Mata Atlântica, ließ der Konzern roden, um Platz für seine Monokulturen zu schaffen. Die Indianer kämpfen erfolglos um ihr Land.
Die Lebensgrundlagen der Bauern wie auch der Fischer in der Umgebung geraten in Gefahr: Quellen versiegen, die eingesetzten Pestizide verschmutzen die Flüsse. Die Holzwirtschaft bietet nicht einmal sonderlich viele Arbeitsplätze, um den Menschen ein alternatives Auskommen zu ermöglichen.
Doch vielerorts haben die Menschen begonnen, dem Eukalyptus Widerstand entgegenzusetzen. In der Nähe von Porto Alegre im Süden Brasiliens etwa zerstörten im März 2006 über 1.500 Landfrauen einen Teil der Aracruz-Baumschule. Stärker noch ist der Widerstand in Chile.
Dort hatte Diktator Augusto Pinochet die von Präsident Salvador Allende Anfang der 70er-Jahre begonnene Landreform rückgängig gemacht und das Land der Mapuche-Indianer an Großgrundbesitzer oder gleich direkt an Holzunternehmen übertragen. Seit damals wird der Süden Chiles mit Eukalyptusplantagen zugepflastert. Da diese viel Flüssigkeit verbrauchen, haben zahlreiche Dörfer in den Sommermonaten kein Wasser mehr. Doch inzwischen kämpfen mehrere Mapuche-Organisationen um die Rückgabe ihres einstigen Landes und um ihr Wasser mit Landbesetzungen und Straßenblockaden - nicht nur mit friedlichen Mitteln.
So griffen Mapuche Zellulose-Konzerne an und brannten Wälder nieder. Einige ihrer Anführer wurden als "Terroristen" verhaftet. Die Indigenen empfinden ihren Widerstand als "reine Notwehr", wie es in einem lokalen Radiosender der Mapuche hieß: "Wenn ein Dorf kein Wasser hat, wenn nichts mehr auf den Feldern wächst und alle wissen, warum das so ist, dann haben sie alles Recht dieser Welt, das Übel anzugreifen, das ihnen diesen Zustand beschert hat."
In Südafrika ist es dagegen die Regierung selbst, die eingreift. Der allzu große Erfolg des Eukalyptus und anderer eingeschleppter Pflanzenarten wie Wasserhyazinthen und einer ebenfalls aus Australien stammenden Akazie hat sie alarmiert. Offiziellen Schätzungen zufolge verbrauchen die Eindringlinge sieben Prozent der Wasserreserven - in einem Land, in dem Trinkwasser für viele Menschen Mangelware ist. Vor allem in der Trockenzeit wird es kritisch, denn die immergrünen Exoten nehmen darauf keine Rücksicht.
Die Regierung hat deshalb eine Art schnelle Eingreiftruppe gebildet. Die soll die Ausbreitung der Wassersauger in wertvollen Feuchtgebieten und entlang der Flussläufe eindämmen. Positiver Nebeneffekt: Das landesweite Projekt "Working for Water" ist zu einem gewaltigen Arbeitsbeschaffungsprogramm geworden. Inzwischen wird zudem über die Einführung einer Wassergebühr für Holzplantagen diskutiert. Die Universität von KwaZulu-Natal hat in einer Studie aufgezeigt, wie die Regierung unbeabsichtigt die Eukalyptusplantagen kräftig subventioniert, indem sie ihnen Wasser viel zu billig oder gar kostenlos zur Nutzung überlässt. Die Einsicht, dass sich der Eukalyptus nicht auf Kosten aller anderen ausbreiten darf, setzt sich langsam durch.
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