Eugene, Hippietown: Frische Regenbögen
■ ...und andere käufliche Merkwürdigkeiten
Samstags ist Markt in Eugene. Es ist der bunteste Batikmarkt der Welt, der hippieste Hippiemarkt der amerikanischen Westküste. Hier werden Gedichte gedichtet, Reden gehalten, Zithern gezupft. Hier gibt es Jutebikinis, Strohsträußchen und Schütteldrachen, die auf geheime Weise mit den Erdgeistern verbunden sind. Unter einem großen Sonnenschirm thront ein reisender Senator, der eine Ecke für freies Sprechen eingerichtet hat: Unentwegt fordert er die bunte Schlendermenge auf, die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung zu nutzen und beharrt auf seiner Hoffnung, daß da draußen „some brain power“ sein müsse. Es kommen aber immer nur junge erweckte Baseballmützenträger heran, die dem Marktvolk begeistert ihre Befreiung durch Jesus verkünden. Und der Senator freut sich sehr und ruft: Mensch, das war doch mal ein kraftvolles Statement. Seht her, die Macht der öffentlichen Rede.
Es gibt auch einen Witzverkäufer, der heißt Frog. Frog ist sicher sechzig Jahre alt, ist von Kopf bis Fuß mit Froschutensilien bedeckt und zieht einen Holzkarren hinter sich her, voll mit Witzchenbüchern, alle selbst erdacht. Er behauptet, es seien die lustigsten Witze der Welt darin und stellt mir auf Nachfrage die ersten dreißig Bände kurz vor. Ich entscheide mich für das Heft mit dem Titel „The Revolutionary Frog“ (für was auch sonst). Ob die auch lustig seien, frage ich. „Lustig? Harr, man! Es sind die lustigsten!“ Und schon fängt er an mir vorzulesen. Irgend etwas mit Newt Gingrich, der zu Besuch in der Sesamstraße ist. Frog liest das vor und wundert sich: „Hm, komisch. Das ist gar nicht witzig.“ Und liest auch schon den nächsten. Mit dem gleichen Ergebnis. Betretene Ratlosigkeit. Da fällt ihm gerade noch ein: „Aber weißt du was? Der Band wurde von Castro gelobt und vom CIA verboten.“
Außerdem gibt es unglaublich langnasige Kristallkugelbetrachterinnen, Tarotkartenberatung für frisch getrennte Paare, einen Gottesdienst „Weißes Licht“, der Visionen von Schönheit und Gleichgewicht erzeugt und Zeit und Raum wieder in eine rechte Ordnung bringt, es gibt Speisen aus Nepal und Afghanistan und eine kleine Bühne, auf der das Trio Bill, Molly und Fred ihr selbstkomponiertes: „All I want is to play my guitar and make sweet love to you“ vortragen.
Ein Stand gefällt mir besonders gut: Jeff, ein magerer Waldschrat, verkauft so verknüpfte bunte Fäden, so Windspiele, die ganz fein und leicht und sanft im Wind spielen. Hängen von seinem Stand. Auf einem Holzschild steht: „Regenbögen, frisch gepflückt. Bitte berührt uns.“ Und ich berühre sie also und bin ganz verzaubert von dem feinen Regenbogensamtfadenspiel in meinen Händen. Und frage: „Jeff, sag, wie pflückt man Regenbögen?“ Da verfinstert sich des Waldschrats Miene, und er brummt: „Das will ich dir sagen, mein Junge. Sobald du einen siehst, draußen auf den Feldern vor den Toren der Stadt, dann ziehe los. Und alles was du dann brauchst, wird eine Pumpgun sein und eine große, leere Tasche. Hehe.“ Thanks, Jeff. Ich dachte halt, ich frage mal. Blue Moon Thunder
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