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Eugen Wagners Mieter-TÜV

■ Sozialwohnungen: Bausenator plant Vergabesperre für Neu-Hamburger, neue Förderwege für Besserverdienende und Gehalts-Check Von Uli Exner

„Da ist Musike drin.“ Eugen Wagner wußte genau, welches nicht gerade handlich geratene Päckchen Sprengstoff er gestern einer kleinen Schar von Journalisten überreichte. Unter dem harmlos anmutenden Titel „Vorschläge für die Wohnungspolitik in Hamburg“ beginnt der Bausenator mit dem Umbau der Förderungs- und Vergabestruktur für Sozialwohnungen.

Ziele des achtseitigen Papiers, das dem Senat unverzüglich zur Diskussion und Entscheidung vorgelegt werden soll: Erhöhung der Einkommensgrenzen für den Bezug staatlich geförderter Wohnungen, größere Steuerungsmöglichkeiten zur Regulierung der Mieterstruktur in sogenannten Problem-Siedlungen – und eine Beruhigungspille für den von SPD-Politikern so gern zitierten „Kleinen (deutschen) Mann“. Motto: Seht her, auch wir Sozis tun etwas gegen Überfremdung, da braucht ihr doch nicht Republikaner zu wählen.

Letztere Einsicht soll durch eine Änderung der Vergabepraxis von Dringlichkeitsscheinen vermittelt werden. Diesen – für die Zuteilung einer Sozialwohnung durch die Wohnungsämter unerläßliche „Nachweis eines vordringlichen Bedarfs“ – sollen künftig nur noch Menschen erhalten, die mindestens seit drei Jahren in Hamburg wohnen. „Hamburg-Bonus“ nennt das die Baubehörde, im Klartext bedeutet es in etwa: Sozial schlechter gestellte Menschen, die aus anderen Bundesländern oder auch aus dem Ausland, Beispiel anerkannte Flüchtlinge, nach Hamburg kommen, haben von den Wohnungsämtern nichts mehr zu erwarten. Sie haben nur noch Anspruch auf den §5-Schein (Berechtigungsschein) und sind künftig auf den guten Willen jener Wohnungsbauunternehmen angewiesen, die Sozialwohnungen auch ohne Dringlichkeitsschein vergeben. Einzige Ausnahme: Deutschstämmige Aussiedler, die per Bundesgesetz einen Anspruch auf einen Dringlichkeitsschein haben.

Wagner gibt unumwunden zu, daß er mit diesem Abschottungs-Verfahren zweierlei erreichen will: Hamburger mit Dringlichkeitsschein sollen schneller eine Wohnung zugewiesen bekommen. Nicht-Hamburger mit geringem oder gar keinem Einkommen dagegen sollen sich einen Umzug nach Hamburg besser verkneifen.

Ein „Instrument zur Ausgrenzung“, so beteuert Wagner, sei der Hamburg-Bonus nicht. Seine These: „Wer neu nach Hamburg kommt, muß sich zuerst eine Wohnung auf dem freien Markt suchen und kann nicht darauf vertrauen, daß das der Staat für ihn erledigt“.

Neue Neubauförderung

Auch bei der Förderung des Baus neuer Sozialwohnungen will Hamburg eigene Wege gehen. Künftig sollen neben 2200 klassischen Sozialwohnungen jährlich 1600 Wohnungen für Mieter gefördert werden, deren Gehalt die engen Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen überschreitet. Dazu sollen vier neue Wohnungsbau-Förderungswege mit unterschiedlichen Miethöhen geschaffen werden.

In der untersten Stufe müßte eine vierköpfige Familie (Brutto-Einkommen unter 64.500 Mark) dann 11,80 Mark pro Quadratmeter zahlen, in der höchsten Stufe (Einkommen bis 100.400 Mark) wären 17,80 Mark fällig. Für Einpersonenhaushalte läge die Förderungshöchstgrenze dann zwischen 23.976 Mark (Miete 11,80/qm) und 45.360 Mark (Miete 17,80/qm). Gleichzeitig will Wagner einen Einkommens-TÜV einführen: Alle zwei Jahre sollen die Einkommen der Mieter in den nach dem neuen Förderungsmodell gebauten Wohnungen überprüft und die Miete dann gegebenenfalls neu festgesetzt werden.

Ein weiterer Schachzug der Baubehörde dient der „Steuerung einer verträglichen Mieterstruktur“ in bestimmten Wohnquartieren. In einem Tauschverfahren könnten Wohnungsbau-Unternehmen Sozialwohnungen in Problembereichen besserverdienenden Mietern überlassen, die eigentlich nicht in eine Sozialwohnung ziehen dürften. Im Gegenzug müssen die Unternehmen in anderen Stadtteilen Wohnungen für die Geringverdiener zur Verfügung stellen.

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