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Archiv-Artikel

„Etwas anderes als hier“

DOKUMENTARFILM Zwei Bremer Filmemacher wollen Verständnis wecken für den Wehrdienst in Israel – einem Land, „das seit seiner Gründung gegen seine Wiederabschaffung kämpft“

Nina Bittcher, 29, und Jean-Philippe Baeck, 26

■ studieren Kulturwissenschaft in Bremen. Im Sommer 2008 drehten die beiden in Israel den Dokumentarfilm „Uniform – Panzer – Kokon“, in dem fünf junge Israelis über ihre Jahre beim Militär berichten. Der Film, den das Bremer Filmbüro gefördert hat, wird heute Abend um 19 Uhr in der Bremer Schauburg, Steintor, erstmals gezeigt. Foto: Michael Bahlo

INTERVIEW CHRISTIAN JAKOB

taz: Frau Bittcher, Herr Baeck, Sie haben einen Film über den dreijährigen Wehrdienst in Israel gedreht. Sie schreiben, die Armee mache Alltag in dem bedrohten Land „überhaupt erst möglich“. Machen Sie Werbung für Militarisierung?

Nina Bittcher: Man kann in diesem Fall eigentlich gar nicht von Militarisierung sprechen, weil das Land schon seit seiner Gründung militarisiert ist. Das ist kein Prozess, sondern ein Dauerzustand – und das ist das Spezifische. Jean-Philippe Baeck: Wir wollen zeigen, was die Wehrpflicht unter solchen Umständen mit den Menschen macht.

Und das ganz wertfrei? Baeck: Wir haben den Film aus einer Perspektive gemacht, die mit Israel solidarisch ist. Das soll aber deswegen kein Abfeiern sein. Verständnis wecken wollen wir für die generelle Notwendigkeit von Wehrdienst im Land. Bittcher: Es ist schon problematisch, wenn so junge Leute Entscheidungen über Leben und Tod treffen müssen.

Ein junger Offizier sagt in Ihrem Film, er beneide europäische Jugendliche für Ihre Unbeschwertheit und Fähigkeit, „einfach Spaß zu haben“, weil sie nicht solche Erfahrungen machen mussten wie er. Hat er Recht? Baeck: Der auf jeden Fall. Aber auch insgesamt machen die ganz andere Erfahrungen, die Leichtigkeit im Umgang mit vielen Sachen ändert sich. Bittcher: Die waren oft viel jünger, als ich sie geschätzt hatte. Junge Palästinenser dürften oft ähnliche Erfahrungen mit erzwungener Beteiligung an Gewalt gemacht haben. In Ihrem Film kommen sie aber nicht vor. Haben Sie nie daran gedacht, auch sie zu befragen?

Bittcher: Nein.

Wieso nicht? Baeck: Die politische Dimension, die dann sofort reingekommen wäre …

Wäre ein Problem gewesen?

Baeck: … hätte schnell etwas von gegeneinander aufrechnen gehabt.

Bittcher: Wir haben uns bewusst dafür entschieden, einen Film über Militärdienst in Israel zu machen, denn die deutsche Perspektive auf Israel ist etwas ganz Spezifisches.

Inwiefern? Bittcher: Ich finde es oft ärgerlich, wie hier der Konflikt behandelt wird.

Wie wird er denn behandelt?

Bittcher: Aus einer ganz tendenziöse Haltung heraus. In Deutschland gelten die Israelis oft als die militärischen Aggressoren.

Baeck: Wir wollten zeigen, was das eigentlich für diese Jugendlichen bedeutet, in einem land aufzuwachsen, das ständig bedroht wird. Da ist die Entscheidung zum Militär zu gehen ja eine ganz andere als hier. Wo genau liegt der Unterschied zwischen der israelischen Armee und der deutschen Bundeswehr? Bittcher: Hier gehen ganz bestimmte Leute zur Armee: die, die das wollen. In Israel muss es jeder. Deswegen hat die Bundeswehr einen ganz anderen Charakter. Trotzdem sagt ein ehemaliger Offizier in Ihrem Film, es sei „klar, dass Israel eine militärische Sache ist, das sieht man daran, wie chauvinistisch die Leute miteinander umgehen“. Wie meint er das? Baeck: Schwierig zu sagen. Als wir da waren, gab es eine Gay-Parade. Hier regt das niemandem mehr auf, dort hat es die Leute vom Hocker gerissen. Vielleicht zeigt sich das in solchen Dingen. Man kann in Israel den Wehrdienst nicht aus Gewissensgründen verweigern, oder? Bittcher: Nein, man muss eine Krankheit vortäuschen. Es wissen aber alle, was sie da sagen müssen. Würden Sie nachdem, was Sie jetzt kennen gelernt haben, dort zur Armee gehen? Baeck: Ich glaube, ich wäre dafür zu feige. Bittcher: Mit meinen Öko-Eltern wäre ich da wohl in der Friedensbewegung gelandet. Aber vielleicht auch gerade nicht, wer weiß.

In ihrem Film erzählt ein Junge begeistert davon, wie er für sein Land in den Krieg ziehen und dort „Abenteuer“ erleben will wie schon sein Vater …

Bittcher: Der war so jung, ich finde es krass, mir vorzustellen, dass dieses Milchgesicht diesen Sommer eingezogen wird. Er war sicherlich auch ein Extrem – in diese Eliteeinheiten wollen viele Jugendliche vom Land, er hat es aber geschafft.

Baeck: Der hat für seinen Traum, bei den „Navy Seals“ aufgenommen zu werden, seit vielen Jahren Kampfsport und Militärvorbereitungskurse gemacht. Seine ganze Kindheit bezog sich auf das Militär. Natürlich ist das sehr naiv. Der wird schon die Erfahrung machen, dass es nichts mit Abenteuern zu tun hat, sondern mit Töten und Getötetwerden. Hier in Bremen sind Sie beide in einer Gruppe aktiv, die sich wissenschaftlich mit Nationalismus befasst und diesen heftig kritisiert. Wie war es da, diesem Jungen zuzuhören?

Baeck: Es ist schon komisch, jemanden zu sehen, der bereit ist, sein Leben zu geben für eine nationale Idee. Aber das ist eben dort was anderes als hier. Bittcher: Natürlich muss man den Nationalismus in Israel idelogiekritisch genauso kritisieren wie jeden anderen auch. Das ändert aber nichts daran, dass man Israel eben doch verteidigen muss.