Ethno-Art in Essen hatte nie eine Chance

IBA-Chef Karl Ganser war einst begeistert von ihrer Integrations-Idee für den Problemstadtteil Essen-Katernberg. Doch der Verein musste Insolvenz beantragen. Jetzt droht zusätzlich ein Verfahren wegen Subventionsbetrug

Essen taz ■ Ein Aushängeschild der Internationalen Bauausstellung (IBA) für gelungene Eigeninitiative ist pleite. Bereits vor fünf Monaten hat die „Ethno-Art Ruhr“, das Migrationsprojekt in Essen-Katernberg, Insolvenz angemeldet. Jetzt ermittelt die Essener Staatsanwaltschaft wegen Subventionsbetrugs. Ein Teil der 1,5 Millionen Euro, die zum Umbau des ehemaligen Prüfstandes der Zeche Zollverein verwendet werden sollten, sei „zweckwidrig verwendet“ worden. Das bestätigt Justiz-Sprecher Willi Kassenböhmer der taz.

„Ich kann das nicht unterschreiben“, sagt „Ethno Art“ Leiter Willi Overbeck in Essen. Zwar seien diverse Auflagen nicht erfüllt worden, aber nur, weil andere Anschaffungen teurer gewesen seien, als erwartet. „Wir wollten damals endlich an den Start“, erklärt er, deshalb sei statt eines geplanten Behinderten-Aufzuges erst die Akustikdecke realisiert worden. Derzeit werde aber geprüft, inwieweit Christoph Hahn, der ehemalige Geschäftsführer, für die Vorgänge haftbar gemacht werden könne. Der erhielt nach eigenen Angaben bereits im Dezember 2002 seine Kündigung und wurde vom Dienst suspendiert. Auch er räumt ein, dass ein Teil der amtlichen Auflagen nicht erfüllt, sondern aufgeschoben wurde. Das sei ein „ganz normales Gebaren“ findet Hahn, bereichert habe sich dadurch niemand.

Sollte sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft erhärten, wäre dies das unschöne Ende einer großen Vision. Als der Verein 1997 anfing, war Overbeck noch guten Mutes: Der Pfarrer wollte den zahlreichen Migranten im heruntergekommenen Stadtteil Katernberg ein eigenes Haus einrichten, wo sie ungestört ihrer musikalischen Berufung nachgehen könnten. Ein Projekt, wie es vergleichbar nur in Berlin existiert. Im „Prüfstand“, einem schmucken Gebäude der Zeche Zollverein, ließ Overbeck die Künstler proben, auftreten und – wenn es gut lief – eine eigene CD produzieren. Es lief nicht gut: Im September 2003 waren der Verein und die 1998 zur Finanzierung des Tagesbetriebs angeschlossene GmbH pleite – und Overbeck schlauer. „Ohne dauerhafte Förderung aus öffentlichen Kassen funktioniert so ein Projekt nicht“, sagt er heute.

Auch im Verein des Kulturzentrums Zeche Carl ist Willi Overbeck 1. Vorsitzender. Dort glaubt jeder an seine Unschuld. „Wenn es einen gibt in Essen, der absolut integer ist, dann Willi Overbeck“, sagt Pressesprecherin Bärbel König-Bargel. Ihm Subventionsbetrug zu unterstellen sei so, als würden dem Papst vier uneheliche Kinder angedichtet.

Jetzt beginnt erst einmal das Insolvenzverfahren. Dann entscheidet sich, was aus dem restaurierten, fast leer stehenden Prüfstand wird. Nur noch der Weltmusik-CD-Vertrieb „NRW-Records“ residiert dort. „Weltmusik soll auch bleiben“, sagt der Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt, der, wie auch Overbeck, die Marke „Carnival der Kulturen“ für Essen erhalten will. Im Rathaus stößt die Frage nach der Zukunft aber auf verlegenes Hüsteln. „Eine Entscheidung steht frühestens in vier Wochen an“, erklärt Wolfgang Fröhlich, Leiter des OB-Büros. Es solle aber auf jeden Fall wieder Kultur in den Prüfstand, aber etwas anderes als „Ethno Art“, denn: „Die sind ja pleite.“

BORIS R. ROSENKRANZ