Etatberatungen im Bundestag: Konjunktur saniert Haushalt
Die Neuverschuldung sinkt. Die Freude von Finanzminister Schäuble hält die Opposition aber für falsch. Gespart wird bei Sozialausgaben und beim Umweltschutz.
BERLIN taz | Nur einmal wurde Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bissig. Als ihm die Zwischenrufe seines Vorgängers Peer Steinbrück (SPD) zu viel wurden, rüffelte er ihn vom Rednerpult: "Wenn Sie Kanzlerkandidat werden wollen, müssen Sie sich noch bessere Manieren zulegen." Ansonsten zeigte sich der Finanzminister demonstrativ zufrieden, als er am Mittwoch im Bundestag den Haushaltsplan für 2012 präsentierte. Die "wachstumsfreundliche Defizitreduktion" sei ein Erfolg, um den die ganze Welt die Deutschen beneide.
Tatsächlich sind die Kennzahlen des Haushalts 2012 noch besser als von der Regierung zuletzt erwartet. Die Ausgaben sind mit 306 Milliarden Euro fast genau so hoch wie 2011. Doch wegen steigender Einnahmen sinkt die Neuverschuldung auf 27,2 Milliarden Euro; ursprünglich war die Regierung von 40 Milliarden Euro ausgegangen.
Zum Vergleich: 2010 hatte der Bund in Folge der Finanzkrise noch 80 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Bis 2015, so sieht es die mittelfristige Finanzplanung vor, soll die Neuverschuldung auf 15 Milliarden Euro sinken, sagte Schäuble. "Die Schuldenbremse wird konsequent umgesetzt."
Die Opposition mochte den Optimismus des Finanzministers nicht teilen. Ursache für die positiven Zahlen sei allein die gute Wirtschaftsentwicklung. "Das ist ein typischer Schönwetterhaushalt", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Auch Priska Hinz (Grüne) sagte, die Regierung ruhe sich auf der guten Konjunktur aus. Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, nannte den Haushalt einen "Torso". Niemand wisse derzeit, wie viel Geld noch an die Banken fließen werde. Zudem verschone die Regierung die Reichen und spare auf Kosten der Armen.
Mehr Geld für Gorleben
Tatsächlich setzt die Regierung viele ihrer früheren Ankündigungen nicht um: 2,3 Milliarden Euro aus der geplanten Finanztransaktionssteuer fehlen komplett. Die Brennelementesteuer bringt wegen der Stilllegung von acht Atomkraftwerken eine Milliarde weniger als geplant; die erhofften Einsparungen aus der Bundeswehrreform fallen ebenfalls pro Jahr um eine Milliarde geringer aus. Gestrichen wird dafür im sozialen Bereich: So stehen etwa für die Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen statt 5,3 nur 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung.
Auch im Umweltbereich wird gespart: Für den Bau von Radwegen, den der Bund 2010 noch mit 100 Millionen Euro unterstützte, sollen 2012 nur noch 60 Millionen zur Verfügung stehen. Deutlich mehr Geld gibt es hingegen für die Erkundung des Salzstocks in Gorleben: Nach 25,4 Millionen im Jahr 2010 sollen dort 2012 rund 73 Millionen Euro ausgegeben werden. "In Gorleben werden weiter Fakten geschaffen", kommentierte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven Kindler. "Das zeigt, dass die angebliche offene Endlagersuche Betrug ist." Endgültig abgestimmt wird der Haushalt im November.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit