Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Kurt Weill wäre in diesem März 120 Jahre alt geworden. Er wurde besonders als kongenialer Komponist für die Stücke von Bertolt Brecht weltberühmt. Man denke nur an die „Dreigroschenoper“, 1928 uraufgeführt – oder das Singspiel „Mahagonny“, das Hits wie den „Alabama Song“ hervorbrachte, von dem es u. a. eine Coverversion von den Doors und David Bowie gibt. Anfang April jährt sich auch Weills Todestag zum 70. Mal – 1950 starb er, der vor den Nazis fliehen musste, viel zu früh im amerikanischen Exil. Dieses Doppeljubiläum nehmen das Tipi am Kanzleramt und die Bar jeder Vernunft nun zum Anlass, das Festival „Kurt Weill revisited“ zu veranstalten und Künstler*innen mit Weill-Interpretationen zu präsentieren. Am 10. März sind Dominik Horwitz und die „Me and the Devil-Band“ an der Reihe, die die Dreigroschenoper ins Jahr 2071 beamen – eine Zeit, in der nach dem Zusammenbruch der EU China die alten Weltmächte an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt hat. „Wie verhalten sich die Menschen?“, fragt Horwitz also in seiner Adaption „Beggar’s Opera 2071“ und mixt Original-Brecht-Weill mit David Bowie, Stevie Wonder, Irving Berlin und Modest Mussorgsky, wie die Ankündigung verspricht (Tipi: „The Beggar’s Opera 2071“, 10.–14. 3., jeweils 20 Uhr).
Der Raubtierkapitalismus, den Brecht/Weill in ihrer „Dreigroschenoper“ böse besangen, ist immer noch Realität. Davon handelt auch die neue Produktion der Neuköllner Oper „Opera for Sale“ von Felix Krakau. Sie entstand im Kontext der Recherchen „Wem gehört Berlin“, denen aktuell eine ganze Veranstaltungsreihe gewidmet ist. „Deine ehemalige Wohnung ist ein Anlagedepot, dein Sofa wurde dir unterm Hintern wegspekuliert“, malt die Ankündigung den Plot (in einer längst Gegenwart gewordenen) Berliner Zukunft aus. „Auch die Neuköllner Oper wurde zum share deal: Im Zentrum des Orkans lädt der neue Eigentümer des Hauses, die Angel Dust Property GmbH Opera Neukölln zum exklusiven Musiktheaterereignis für ein weitgereistes Publikum.“ Na denn! (Neuköllner Oper: „Opera for Sale“, Uraufführung: 12.3., 20 Uhr)
Ein ungewöhnliches Projekt hat in dieser Woche das Ballhaus Ost im Programm: „Autistische Spiele“ beruht auf einem filmischen Porträt, das der bildende Künstler und Filmmacher Tobias Yves Zintel über seinen autistischen Bruder drehte. Gemeinsam mit dem Psychiater und Autor Przemek Zybowski erkundet er nun szenisch noch einmal das Spektrum, das sich zwischen den Polen der Vorstellungen der Gesellschaft von „gesund“ und „krank“ auftut (Ballhaus Ost, 12.–14. 3., 20 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen