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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

In diesen Tagen nähert sich der dreißigste Jahrestag des Mauerfalls und die, die ihn erlebten, werden vielleicht denken: Was? Schon? Denn die Rasanz, mit der er sich vollzog, war geradezu surreal. Die, die damals jung waren, hätten nie für möglich gehalten, dieser Wandel würde sich noch zu ihren Lebzeiten vollziehen. Selbst in diesen ersten Novembertagen vor dreißig Jahren war noch nicht abzusehen, dass es die DDR wenige Monate später nicht mehr geben würde.

Und so gibt es allenthalben warme Worte und viel Programm, derweil andere Früchte dieses Epochenwechsels einem den kalten Scheiß auf die Stirn treiben. Im Deutschen Theater kommt ein Stoff auf die Bühne, der aus der Zeit stammt, als die DDR noch gut werden wollte: „Franziska Linkerhand“ ist der nachgelassene Roman der früh verstorbenen Brigitte Reimann, der 1974 erschien. Es geht um eine junge Architektin, die in den Jahren nach dem Mauerbau ganz buchstäblich den Sozialismus mit aufbaut, sich an den Verhältnissen reibt, lebt, hofft und liebt (Deutsches Thea­ter: „Franziska Linkerhand“, ab 2. 11., 19 Uhr).

Schon seit dem 15. Oktober läuft in den Sophiensaelen die Reihe „Das Ost-West-Ding“, die in Performances, Tanz, Theater und Diskurs in diesem Jubiläumsherbst dreißig Jahre „Ost-Erfahrung“ untersucht. Aktuell ist das Projekt „Ansteuerung von Söstweuschland“ zu sehen, für die Peggy Mädler und Daniela Dröscher inspiriert von Maxie Wanders berühmtem Buch „Guten Morgen, Du Schöne“ mit Berliner Frauen unterschiedlicher Herkunft gesprochen haben. Die Ergebnisse ihrer Recherchen haben sie zu einer audiovisuellen Rauminstallation aus Alltagsperspektive verarbeitet. Am 1. 11. findet eine Ost-West-Gala mit Reden, Statements, Utopischem und Kritischem von prominenten Gästen statt, darunter die Schriftstellerin Annett Gröschner, die Dramatikerin Nele Stuhler und Performer*in Tucké Royale (Sophiensaele: „Das Ost-West-Ding“.

Im Maxim Gorki Theater setzt die Regisseurin Yael Ronen zu ihrer neuen Tiefbohrung an den Verhältnissen an. Diesmal geht es um die Hexenverfolgung in Europa, der in drei Jahrhunderten mindestens 60.000 Frauen zum Opfer fielen, denen auf der Basis fadenscheiniger Anklagen fadenscheinige Prozesse gemacht wurden, bevor sie gefoltert und verbrannt wurden. So wurde das Patriarchat durchgesetzt, sagt manche Feministin. Und auch Yael Ronen und ihr Ensemble träumen von „Rewitching Europe“ und dem damit einhergehenden „zeitnahen Untergang des Patriarchats“ (Gorki Theater: „Rewitching Europe“, Premiere 1. 11., 20 Uhr).

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