Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Das Projekt ist ebenso ehrgeizig wie utopisch. Trotzdem sieht es so aus, als würde es realisiert: nämlich ein Shakespear’sches Globe-Theater zu errichten, und zwar im Charlottenburger Sömmeringkiez. Das ist die Gegend an der Spree zwischen Mierendorfplatz und Moabit. Hier will der Regisseur Christian Leonard 2020 realisieren, worum er seit etwa 20 Jahren kämpft: ein Rundtheater aus Holz wie zu Shakespeares Zeiten am Wasser zu errichten, für etwa 600 Zuschauer und natürlich mit Shakespeares berühmten Dramen im Programm. Auch Konzerte mit Weltmusik und Wortkunst soll es hier geben. Im Juni hat die sogenannte Prolog-Saison begonnen: auf roten Plastikstühlen, die schon mal den Ort markieren, wo dann nächstes Jahr das noch eingelagerte Haller Globe-Theater aufgebaut werden soll. Gespielt wird aktuell „Romeo und Julia“. Und ab 24. Juni dann der 2006 uraufgeführte Shakespeare-Schwank „Nach dem Kuss“ von Oliver Bukowski, der die Geschichte des berühmten Liebespaars ins Milieu sozial Aussortierter verlegt. Genauer gesagt in eine von Suff und Stütze zusammengehaltene Notgemeinschaft aus Arbeitslosen, Kneipengängern und -betreibern, die nun durch die Liebe ins Wanken gebracht wird. Die Liebe, die natürlich immer an Aus- und Aufbruchträume geknüpft ist, was ihr Scheitern dann umso bitterer macht. (Globe-Theater: „Nach dem Kuss“, ab 24. 7., 1930 Uhr. Alle Infos: www.globe.berlin).
Im Radialsystem wird am 18. Juni das Festival „Plataforma-Berlin“ eröffnet, das (auch im Dock 11 und im Verlin, dem Probenzentrum der Choreografin Constanza Macras) Tanz, Installation, Film und Diskurs mit iberoamerikanischem Hintergrund präsentiert. Das insgesamt dreiwöchige Festival reflektiert eigenem Bekunden zufolge mit Tanz, Diskussionen, Dokumentarfilmen und Tanzvideocollagen die Transformation von Entkolonialisierungsprozessen und Überlebensformen, die Künstler*innen bei ihrer Auswanderung nach Berlin oder als Teil lokaler Utopien entwickeln konnten. Darüber hinaus möchte es einen Dialograum zwischen den Kontinenten eröffnen, in dem durch eine transdisziplinäre Reflexion des menschlichen Körpers die Themen Klimawandel, (Post-)Kolonialismus, die Krise der Beziehung zwischen Mensch und Natur oder die Verbindung zwischen Kunst und Natur eine Plattform finden. Es beginnt am 18. 7. um 18 Uhr mit dem Panel: „Please do disturb: Climate Chaos, Dance & Activisim“ (Radialsystem / Dock 11 / Verlin: „Pataforma Berlin – A Brave Postcolonial New World“, 18. 7.–3. 8. Programm & Infos unter: www.plataformaberlin.de).
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