: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Der Stoff scheint von gestern und ist beim näheren Hinsehen doch aktuell, die Geschichte von Lene und Botho, die Theodor Fontane in seinem Roman „Irrungen, Wirrungen“ erzählt, der vor über hundert Jahren entstanden ist. Eine Liebesgeschichte, die kein Happy End haben kann, weil die Liebenden aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen. In Zeiten von Elitendebatten und immer fester zementierten Kluften zwischen Arm und Reich aber schmeckt die Geschichte aus dem preußischen Militarismus plötzlich wieder schmerzlich aktuell. Im Theater an der Parkaue hat Sascha Bunge sie nun für junge Erwachsene inszeniert und als Mitspieler neben den beiden Paaren im Zentrum auch die Berliner Geografie eingeplant. Zwei Paare und ihre Sehnsüchte treiben auch das unaufhaltsame Drama in Lars Noréns Stück „Dämonen“ über die Tristesse scheinselbstverwirklichter Enddreißiger an, das Thomas Ostermeier unter anderem mit Lars Eidinger an der Schaubühne inszeniert hat, wo es ab heute Abend zu sehen ist. „Underdogs“ heißt die Theaterfassung von Jean-Paul Lilienfelds Spielfilm „La journée de la jupe“, der bei der letztjährigen Berlinale (mit Isabelle Adjani) Furore machte und die Geschichte einer Lehrerin erzählt, die von ihren arabischstämmigen Schülern als Schlampe beschimpft wird und eines Tages die pädagogische Effizienz einer Schusswaffe für sich entdeckt. Uraufführung am Sonntag bei der Vagantenbühne. Und über die Bühnen, durch Foyers und Flure von HAU und Sophiensaelen tobt ab Donnerstag nun zum siebten Mal das Festival 100° Berlin des Freien Theaters. Wechselnde Vorstellungen an vier Tagen im Stundentakt werden versprochen. Und natürlich ein hochkonzentrierter Überblick über die freie Szene, wie er in dieser Form überhaupt nur im Theaterdurchlauferhitzer Berlin denkbar ist.
■ „Irrungen, Wirrungen“: Theater an der Parkaue, ab Do.
■ „Dämonen“: Schaubühne, ab Di. ■ „Underdogs“: Vagantenbühne, ab So.
■ 100° Berlin: Sophiensaele/HAU, Do.–So.