: Es steht auf Messers Schneide
■ China, Indien und Pakistan mißtrauen dem neuem Vertragsentwurf für einen Stopp von Atomwaffentests
Genf (taz) – Mit der Vorlage eines eigenen Vertragsentwurfes hat der Vorsitzende der UNO-Abrüstungskonferenz, der Niederländer Jaap Ramaker, am Dienstag abend versucht, Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über ein umfassendes Verbot von Atomwaffen-Testexplosionen zu bringen. Ramaker gab sich zuversichtlich, daß die Verhandlungen bis zum 28. Juni mit einem Abkommen abgeschlossen werden können. Doch das Vorgehen des Konferenzvorsitzenden wie der Text seines Entwurfs stießen bei China, Indien und Pakistan auf erhebliche Bedenken.
Der Text beruht im wesentlichen auf einem früheren Vorschlag Australiens, der bereits die Zustimmung der drei westlichen Atomwaffenmächte USA, Frankreich und Großbritannien sowie Japans gefunden hatte. Atomare Testexplosionen sollen verboten werden ohne eine Ausnahmeklausel für sogenannte „friedliche Explosionen“, auf der China bislang bestanden hatte. Für einen Verzicht auf „friedliche Explosionen“ verlangte Peking die Einsetzung einer internationalen Kontrollbehörde zur Überwachung des Vertrages. Eine solche Behörde sieht der Entwurf jedoch nicht mehr vor. Nach Ramakers Vorstellungen sollen internationale Kontrollmechanismen und nationale Überwachungsinstrumente gleichrangig zum Einsatz kommen. Hierauf hatten insbesondere die USA bestanden. China befürchtet jedoch, daß die USA bei einer derartigen Vertragsregelung ihre weit überlegenen Spionagetechnologien einsetzen und unter dem Deckmantel der Überwachung eines atomaren Testverbots militärische Geheimnisse anderer Staaten ausspionieren könnten. Diese Sorge Pekings wird von den meisten Staaten des Südens geteilt.
Der Vertragsentwurf Ramakers enthält auch kein Entgegenkommen gegenüber Indien, das die fünf offiziellen Atomwaffenmächte zur Abrüstung ihrer Arsenale und zu entsprechenden Verhandlungen im Rahmen der UNO-Abrüstungskonferenz verpflichten wollte. Auch Indiens Forderung nach einem Satz in der Präambel, der einen Verzicht auf die Entwicklung neuer Atomwaffen zum Zweck des Vertrages erklärt, blieb unberücksichtigt. Den indischen Forderungen hatte sich Pakistan vergangene Woche ausdrücklich angeschlossen. Auch Mexiko und Ägypten signalisierten Unterstützung. In Genf wird nicht ausgeschlossen, daß Indien und Pakistan nach den nächsten Konsultationen der 38 Konferenzdelegationen mit ihren Regierungen erklären werden, daß sie den Ramaker-Entwurf nicht unterzeichnen können. Dann ist nicht auszuschließen, daß auch China eine Vertragsunterzeichnung verweigert.
Moskau hat zwar keine substantiellen Einwände gegen den Vertragsentwurf. Russische Diplomaten beschweren sich aber darüber, daß die drei westlichen Atomwaffenmächte die wesentlichen Fragen unter sich ausgemacht und Rußland oftmals ausgeschlossen hätten. Andreas Zumach
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