: Es könnte so kommen
betr.: „Merkel soll China tadeln“ von Georg Blume, taz vom 27. 8. 07
Georg Blume schreibt, Menschenrechtsorganisationen, namentlich amnesty international, stellten in ihrer Kritik an China falsche Behauptungen auf und verurteilten die Menschenrechtslage dort pauschal. Leider hat Blume offenbar die Publikationen von amnesty international zu China gar nicht zur Kenntnis genommen. Unser Bericht vom 6. 8. 2007 zitiert Angaben des Obersten Volksgerichts vom Juni 2007, wonach sich die Zahl der Todesurteile um 10 Prozent reduziert habe, verglichen mit dem Vorjahr. In den letzten Jahren hat die Zahl der Todesurteile und Hinrichtungen allerdings stark geschwankt, sodass es mehr als voreilig wäre, von einem „deutlichen Rückgang“ zu sprechen. Zudem ist das Oberste Volksgericht keineswegs eine unabhängige Instanz, sondern war mehrmals eingebunden in Anti-Kriminalitäts-Kampagnen der Regierung, die jeweils die Zahl der Todesurteile in die Höhe schießen ließen.
Dass sich die Zahl der Todesurteile vor Olympia erhöhen würde, hat ai nicht behauptet. Wir weisen nur auf die Gefahr hin, dass es so kommen könnte. Wie Blume wissen könnte, ist vor Ereignissen von nationaler Bedeutung die Zahl der Todesurteile gemeinhin in die Höhe gegangen, und die chinesische Regierung hat die Olympischen Spiele zu einem solchen nationalen Ereignis erklärt. Nicht hinnehmbar ist Blumes Vorwurf, ai würde die Menschenrechtssituation in der VR China pauschal verurteilen. Der genannte jüngste ai-Bericht zu China etwa lobt durchaus die positiven Schritte wie die verfahrensrechtlichen Änderungen bei der Todesstrafe, fordert aber weitergehende Maßnahmen: Die chinesischen Behörden sollten den Anwendungsbereich der Todesstrafe einschränken und mehr Transparenz bei der Anwendung der Todesstrafe schaffen. Nur so wird schließlich nachvollziehbar, ob sich Todesurteile und Hinrichtungen tatsächlich, und dauerhaft, verringern. DIRK PLEITER,
China-Experte von amnesty international