Es ist verdammt schwer, bestimmten Nachrichten aus dem Weg zu gehen. Ich versuche es trotzdem immer wieder: Das Bundesliga-Experiment
AM RAND
Klaus Irler
Früher war es manchmal schwer, Nachrichten zu bekommen, heute ist es schwer, Nachrichten von sich fernzuhalten. Einmal E-Mails nachschauen und schon hast du die Schlagzeilen deines E-Mail-Providers im Kopf. Beim U-Bahn-Fahren erwischt dich das Fahrgastfernsehen. Man kommt nicht ohne aus und ich weiß, wovon ich rede, weil ich jede Woche meinen persönlichen Feldversuch starte.
Der dreht sich um die Fußballbundesliga: Da gibt es Freitags-, Samstags-, Samstagabend- und Sonntagsspiele. Kurze Zusammenfassungen ohne vorherige Bekanntgabe der Spielergebnisse liefern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen drei Sendungen. Ich zeichne alle drei auf, um sie nach und nach die Woche über anzuschauen. Genüsslich, denke ich mir. Allerdings ist eine Voraussetzung des Genusses, dass ich die Ergebnisse nicht kenne.
Und eben das ist schwierig. Wenn ich am Wochenende Freunde treffe, bitte ich sie, mir nichts zu sagen. Wenn ich die Tagesschau sehe, halte ich mir beim Fußballblock Augen und Ohren zu. Wenn ich an einem Kiosk vorbeigehe, schaue ich auf den Boden. Und in der U-Bahn versuche ich, das Fahrgastfernsehen zu ignorieren.
Letzteres ist besonders schwierig. Es gibt insgesamt 1.008 Monitore in den Hamburger U-Bahn-Wagen, so montiert, dass man bewusst an ihnen vorbeischauen muss. Gelingt das nicht, dann trifft einen eine wilde Mischung: Nach der Ankündigung eines Black-Metal-Konzerts gibt’s Neues vom Papst, nach der aktuellen Flüchtlingszahl kommt der Känguru-Nachwuchs in Hagenbecks Tierpark und dazwischen – Fußballergebnisse.
Ein Handy geht auch, aber entspannt entkommt man dem Fahrgastfernsehen nur mit einer Zeitung vor dem Gesicht, aus Papier, einmal aufgeklappt. Darf aber in meinem Fall natürlich keine aktuelle sein, in der am Ende noch Spielergebnisse stehen. Ich habe deshalb einen Stapel mit Zeitungen zu Hause, die ich immer noch mal lesen wollte. Kürzlich las ich in der U-Bahn etwa in einem Süddeutsche-Feuilleton aus dem Jahr 2013 einen Artikel über den Streaming-Dienst Spotify. Ich fühlte mich wie im Museum.
Wenn ich trotz allem Ergebnisse erfahre, widme ich mich der Vierten Liga. In der spielt mein Heimatverein Jahn Regensburg und produziert neben den Ergebnissen viele lustige Geschichten: Zwei Spieltage vor der Winterpause hat man den Trainer entlassen, obwohl die Mannschaft Tabellenerster war. Daraufhin verlor „der Jahn“ die Tabellenführung und spielt nun nicht nur gegen andere Clubs, sondern auch gegen den Spott der Liga an.
Vermutlich wird’s für den Jahn nichts mit dem Aufstieg. Ist mir recht. In der Dritten Liga würde er zum Beispiel gegen Kiel, Osnabrück und Werder Bremen II spielen. Die Gefahr unerwünschten Informiertwerdens wäre zwar gering – aber größer als jetzt.
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