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Es ist doch nicht womöglich Friedrichshain Trendsetter fürs Berliner Nachtleben?!Im Kiez rund um die Weserstraße

Ausgehen und Rumstehen

von Andreas Hartmann

Im Kino gewesen, nicht geweint, aber immerhin ein gutes Konzert gesehen. An diesem Wochenende im Friedrichshainer Ladenkino „B-Ware“: zuerst die Deutschlandpremiere des Films „Machine Soul“ über Techno in Finnland – mal was anderes nach all den Dokus über Techno in Berlin – und danach er, im schummrigen Foyer des Kinos: Jimi Tenor. Einfach mal so, wie nebenbei, und als hätte er an diesem Wochenende eben nichts Besseres zu tun, saß er hinter seinem Synthesizer, spielte seinen dudeligen Souljazz, griff hier und da zur Querflöte, und dazu blies ein Trompeter in sein Horn.

Stars spielen intime Konzerte im Kellerschuppen in der Nachbarschaft, dass das gut für die Fanbindung ist, das wissen selbst die Rolling Stones, die immer mal wieder im kleinen Rahmen so tun, als seien sie noch eine Newcomerband wie vor beinahe 60 Jahren. Nun ist Jimi Tenor zwar kein Superstar, der jemals Gefahr lief, die Bodenhaftung zu verlieren, aber immerhin ist er der Verfasser der einstigen Loveparade-Hymne „Take Me Baby“ und bekanntester Träger schräger Brillen nach Elton John.

Er, der längst was anderes ist als ein echter Vertreter des finnischen Techno, denn dafür interessiert er sich inzwischen zu sehr für Afrobeat, Soul und Jazz, begibt sich auf der Suche nach Direktheit und Nähe zum Publikum und vielleicht auch ein wenig zum reinen Zeitvertreib, nun nicht in die Eckkneipe seines Vertrauens, sondern ins Kino von nebenan. Tolle Sache, angemessenerweise saß er auf einer Art Thron, den sie da im Kino herumstehen haben. Es müssten nun nur noch mehr dem Beispiel Jimi Tenors folgen. Einen Film auf der großen Leinwand ansehen und dann weiterziehen, das bräuchte es dann nicht mehr, wenn man einfach stilvoll auch im Kino versacken kann.

Friedrichshain also als Trendsetter für das Berliner Nachtleben? Eigentlich assoziiert man derartig ungewöhnliche Events wie diesen Jimi-Tenor-Auftritt, typisch Berliner Schrägheiten, die Hipsterherzen schneller schlagen lassen, eher mit Neukölln. Aber wahrscheinlich auch nicht mehr unbedingt mit der bekannten Ausgehmeile Weserstraße. Bekanntlich reiht sich hier eine Kneipe neben die nächste, aber so richtig absturzmäßig scheint es hier auch nicht mehr zuzugehen. Vielleicht waren ja auch alle müde nach dem Gang auf den Weihnachtsmarkt. Gut, es war der Sonntag, aber egal ob in „Fuchs und Elster“ oder in „Der Laden“, noch vor Mitternacht war hier fast nichts mehr los, und kurz nach Mitternacht hieß es dann: bitte nach Hause gehen! Und das in Neukölln. Nur im „Ä“ war noch richtig was los. Gut, dass demnächst, in unmittelbarer Nähe zum „Ä“, das Kino „Wolf“ eröffnen wird. Das wird dem Nachtleben im Kiez rund um die Weserstraße hoffentlich guttun.

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