: „Es geht um den Mut zur Kunst“
SAMMELN Einst war Monique Burger Headhunterin, dann begann sie Kunst zu sammeln und von Künstlern in vielen Gesprächen zu lernen. In Berlin sind Teile ihrer sehr persönlichen Sammlung erstmals zusammen zu sehen
■ „Conflicting Tales: Subjektivität“ ist der erste Teil einer Ausstellungsquadrilogie mit Werken aus der Burger Collection, die in Hongkong, Mumbai und Brüssel weitergeführt werden wird. Gezeigt werden Arbeiten von Monika Baer, Fernando Bryce, Sabine Hornig, Olaf Metzel, Julian Rosefeldt u. a.
■ Die Eröffnungausstellung ist noch bis zum 13. Dezember in der Zimmerstraße 90–91 in Mitte zu sehen, sie ist freitags und samstags zwischen 12 und 18 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet.
■ Bis zum Ende der Schau finden verschiedene Künstlergespräche, Vorträge und Screenings statt. Bei den nächsten drei Terminen werden sich die Künstler Fiete Stolte (29. 10.), Jaume Plensa (30. 10.) und Mathilde Ter Heijne (31.10.) mit Gästen unterhalten.
■ Weitere Informationen finden sich unter www.quadrilogy.org.
INTERVIEW ULRICH GUTMAIR
In ihrem Beruf als Headhunter hatte sich die Monique Burger darauf spezialisiert, für Unternehmen Strategien zu entwickeln, Frauen mit Kindern zu fördern. Aber auch als Kunstsammlerin hat die Schweizerin die Arbeitsweisen und Karrieren von Künstlerinnen im Auge. Seit 13 Jahren sammelt Burger Kunst, wobei sie stets selbst entschieden hat, was ihr gefällt. Der junge Kurator Daniel Kurjakovi hat nun aus Werken der Sammlung Burger ein Ausstellungsprogramm kuratiert, dessen erster Teil derzeit in Berlin zu sehen ist. Er wird von einem dichten Veranstaltungsprogramm aus Künstlergesprächen und Vorträgen begleitet. Weitere Teile werden in Mumbai, Brüssel und Hongkong zu sehen sein.
taz: Frau Burger, viele Sammler lassen sich professionell beraten, weil sie die Kunst vielleicht auch über ihren Zweck als Kapitalanlage hinaus schätzen, aber sich eigene Kompetenz nicht zutrauen. Sie entscheiden selber, was sie kaufen, warum?
Monique Burger: Das war für mich von Anfang an klar. Ich hatte die letzten dreizehn Jahre über keinen Berater, weil ich die Kunstwelt und den Kunstmarkt selbst erforschen wollte. Das war schön, weil ich mich auf meine Intuition und mein Auge verlassen habe.
Gilt das nur für die Werke oder auch für die Künstler?
Mir ist der Bezug zu Menschen wichtig – ich habe zu 99 Prozent der Künstler, deren Arbeiten in der Sammlung vertreten sind, ein sehr enges persönliches Verhältnis. Wenn ich ein Werk in die Sammlung aufnehme, dann ist es damit nicht abgeschlossen. Ich versuche über längere Zeit zu sehen, was die Künstler machen, und spüre die Begeisterung, wenn sie etwas Neues riskieren wollen. Das ist ein Schlüsselpunkt, der mich fasziniert: zu sehen, wie die Künstler sich entwickeln.
Das klingt, als würden Sie Ihre Arbeit als Headhunter weiterführen. In welchem Bereich haben Sie gearbeitet?
Ich habe mich auf die Karriere der Frau spezialisiert und mich sehr für Frauen mit Kindern eingesetzt. Dass sie also nicht einfach keine Jobs mehr bekommen, sondern dass man in den Firmen Kinderkrippen organisiert und Jobsharings macht. Mich hat letztens jemand darauf angesprochen, dass wir relativ viele Frauenpositionen in der Sammlung hätten. Ich habe zwar nie gezielt danach gesucht. Aber auch die Frau als Künstlerin interessiert mich. Wenn wir etwa Fiona Banner nehmen, die fragt: „Wer sind wir, was machen wir, wie können wir uns zum Ausdruck bringen?“ Das ist ein wichtiger Bestandteil der Sammlung.
Es ging Ihnen also darum, Strukturen zu schaffen, damit Frauen, die Talent haben, weiterarbeiten können und die Karriere nicht wegen eines Kindes abbricht.
Das gab es damals in der Schweiz noch nicht. Und der Wunsch der Frauen, weiterzuarbeiten, war da. Das ist ein großes Potenzial, das hier verloren geht. Die Auseinandersetzung mit den Institutionen war zwar oft nervenaufreibend, aber es kam teilweise auch ein schönes Echo zurück. Da haben sich langfristige Beziehungen ergeben.
In Deutschland ist diese Diskussion erst in den letzten Jahren wirklich ernsthaft geführt worden. Wann haben Sie mit dieser Arbeit angefangen?
Als ich 1983 aus den USA zurückkam, habe ich angefangen und 1997 habe ich aufgehört. Ich war also doch fast 15 Jahre dabei.
Wir sitzen hier neben einer Arbeit von Mathilde Ter Heijne, eine lebensgroße realistische Skulptur einer spärlich bekleideten Frau, ihre Haut ist schwarz bemalt. Ich frage mich, ob so ein Werk auch von einem männlichen Sammler gekauft werden würde oder ob man einen bestimmten Blick haben muss. Warum haben Sie diese Arbeit gekauft?
Die erste Arbeit, die ich von ihr gekauft habe, war die Videoarbeit „Mathilde, Mathilde“. Ich habe mich mit ihr gut verstanden, und sie hat mir sehr ehrlich meine Frage beantwortet, wie die Arbeit zustande kam. Es entstand in der Zeit, als ihr Freund mit ihr Schluss gemacht hat. Sie hat dann Selbstmordgedanken gehabt, aber sie wusste: Das kann es nicht gewesen sein. Trotzdem musste sie das irgendwie verarbeiten. Dann hat sie diese Figur kreiert, quasi sich selber, und hat einen Selbstmord inszeniert, indem sie die Puppe über die Brüstung geworfen hat. Das war die erste Arbeit, wo ich das Problem einer Frau gut verstanden habe. Klar, wir haben Gefühlsausbrüche, aber wir gehen mit einem Problem handfest um und sagen: So, das ist jetzt abgeschlossen.
Die schwarze Frau steht für Wildheit, vielleicht sogar Bedrohlichkeit, Offensivität. Man kann jedenfalls nicht einfach daran vorbeigehen.
Sind wir Betrachter oder guckt sie uns an? Ich bin sehr glücklich mit dieser Arbeit. Ich würde sie sogar bei mir im Schlafzimmer aufstellen. Und das bedeutet viel!
Im Gegensatz zur offenen Situation der Neunziger, wo nicht nur jeder Kunst, sondern auch eine Galerie aufmachen konnte, sind Macht und Einfluss heute klar verteilt. Ist die Galerienfrage für Sie wichtig?
Ich habe über die Zeit angefangen, mit Galerien zusammenzuarbeiten, und unterstütze einzelne Galerie-Programme, in Berlin etwa Barbara Thumm oder Sassa Trülzsch. Junge Galeristen, wo ich schätze, was sie tun und wie sie Künstler fördern – die brauchen auch Sammler, gerade in Zeiten wie jetzt. Im letzten Jahr gab es eine große Arbeit, die nach Venedig gehen sollte, die eine Galerie aber nicht herstellen konnte. Da stand ich gerne ein. Ich habe die Arbeit finanziert und in die Sammlung aufgenommen. Auch das gehört dazu.
Sie nehmen solche Probleme also selbst in die Hand.
Ich teile diese Passion mit meinem Mann. Wir besprechen alles, aber ich habe bis letztes Jahr alles alleine gemacht. Ich habe die tausend Werke selbst verwaltet, den Leihverkehr gemacht und 2002 die Website ins Leben gerufen, um eine Plattform für die Werke der Künstler zu haben, damit sie von Museen abgerufen werden können. Das hat als eine Leidenschaft angefangen, aber nach einer gewissen Anzahl von Werken wurde es ein Job.
Gibt es in Ihrer Sammlertätigkeit so etwas wie eine Mission?
Es geht in einem gewissen Sinn um den Mut zur Kunst. Darum, auch etwas zu fördern und zu unterstützen, was ein gewisses Risiko ist. Eben nicht diese Sicherheit suchen, wie ich das bei vielen anderen Sammlern sehe, die nur sammeln, was schon durch Kritiken abgesichert wurde.
In Ihrer Sammlung gibt es viele bekannte Künstler.
Von Norbert Bisky etwa habe ich die erste Arbeit, glaube ich, 1997 gekauft. Es gab einfach Künstler, die ich schon früh gesehen habe. Ich verfolge sie wirklich, aber es hat auch schon Fälle gegeben, wo der Künstler zu teuer wurde.
„How can I / make it right“, fragt eine Arbeit von Vittorio Santoro, die hier gezeigt wird. Das ist eine Frage, die sich jeder stellen kann. Treibt sie auch Sie um?
Diese Frage hat der Künstler aufgegriffen, als er in Berlin ein Stipendium hatte: Was macht ein Künstler eigentlich, was ist seine Aufgabe? Ich habe lange mit ihm gesprochen – und ich habe dieselben Fragen, dieselben Ängste, vielleicht auch dieselben Wünsche. What is right and what is wrong? Oder auch: How can I make it right as a collector?
Wie verändert es einen Menschen, der sich von einer Kunstliebhaberin in eine Sammlerin verwandelt?
Es hat mich nicht verändert, aber reich gemacht. Nicht reich im finanziellen Sinn, sondern im Sinn von Freundschaften, vom Denken. Ich lese heute Bücher, die ich vor zehn Jahren wahrscheinlich nicht gekauft hätte. Einfach weil ich höre, dass die Künstler die lesen. Ich glaube aber nicht, dass ich mich als Person verändert habe. Das wäre schade. Ich bin einfach reifer geworden.