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Archiv-Artikel

„Es geht auch ohne Helden“

PROGNOSE Deutschland ist für Moritz Rinke nur Mittelmaß, ob mit oder ohne Michael Ballack

Moritz Rinke

■ 32, ist Schriftsteller und erfolgreichster Torschütze der Autorennationalmannschaft „Autonama“. Das Bühnenstück „Republik Vineta“ des studierten Theaterwissenschaftlers wurde 2001 zum besten deutschsprachigen Bühnenstück gewählt und 2006 verfilmt. 2008 erschien sein Buch „Titelkampf. Fußballgeschichten der deutschen Autorennationalmannschaft“ bei Suhrkamp.

taz: Herr Rinke, die Fußball-WM ohne Michael Ballack, ist das gut oder schlecht für die deutsche Nationalmannschaft?

Moritz Rinke: Grundsätzlich ist es nicht von Vorteil, aber es ist auch nicht das Drama, zu dem diese Verletzung jetzt gemacht wird. Es steht zu befürchten, dass wir wegen Ballack jetzt die Krise des Euros aus den Augen verlieren. So wie vor vier Jahren, als wir uns auf seine Wade und seinen Knöchel konzentriert haben, anstatt zu gucken, was es sonst noch für gute Spieler auf dem Platz gibt.

Ist Ballack ersetzbar?

Eine gute Mannschaft muss so was kompensieren. Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger sind spielerisch dazu in der Lage. Schweinsteiger oder Philipp Lahm werden sicherlich einen guten Kapitänsjob machen. Es ist lediglich die Erfahrung, die Ballack mitbringt, die diesen Spielern fehlt und die schwer zu ersetzen ist.

Ist Ballack also überbewertet?

Nein, er hat mit seiner Übersicht und seiner Kopfballstärke die Mannschaft immer nach vorne gebracht. Aber ob mit oder ohne Ballack, wir werden eine mittelmäßige WM spielen, so wie wir auch 2006 mit Ballack eine mittelmäßige WM gespielt haben. Dafür sind die anderen einfach zu stark.

Braucht eine moderne Nationalmannschaft überhaupt so etwas wie einen Führungsspieler?

Fußball hat sehr viel mit Kommunikation auf dem Platz zu tun. Gerade jüngere Spieler suchen den Führungsspieler, um Laufwege abzusprechen et cetera. Aber klar ist, Fußball ist ein Mannschaftssport, und es geht auch ohne Helden.

Wen würden Sie jetzt nominieren?

Auf jeden Fall Torsten Frings. Joachim Löw hat ihn nicht nominiert, weil er weiß, dass er mit ihm Stress haben würde. Das ist die badische Engstirnigkeit des Trainers, die sich da durchsetzt. Spieler, die aufbegehren, wie Frings oder Tim Wiese, fallen raus, Löw wird in dieser Frage zum humorlosen Prinzipienreiter. Er macht aus der Nationalelf eine Musterschülermannschaft. Nur die Angepassten dürfen mitmachen. INTERVIEW: DORIS AKRAP