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Es erfordert keine Intelligenz, sich eine Maske zu Kaufen und Leute zu erschrecken. Es ist bloßes Nachäffen und der Versuch, jemand Wichtigeres zu seinWichte mit Clownsmasken

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Der Mensch lässt sich im Allgemeinen ganz gern ein bisschen erschrecken. Er gruselt sich auch gern. Deshalb gibt es Edgar Allen Poe, deshalb gibt es Geisterbahnen, Hitchcock und Halloween. Beim Gruseln fühlen wir, scheint es, eine Art Lust. Es hat vielleicht damit zu tun, dass wir die Gefahr überstanden haben, sobald das Buch oder der Film zu Ende ist. Es ist ein wunderbares Gefühl, einer Gefahr entgangen zu sein, auch wenn es nur eine imaginäre Bedrohung ist.

Denn wir fühlen ja mit, wenn wir einen Film sehen, wir sehen uns selbst in der Situation der Dargestellten, wir leiden mit, wir erschrecken uns mit, aber schließlich finden wir uns glücklicherweise sicher auf unserem Sofa wieder, was uns unendlich erleichtert. Wir suhlen uns umso lustvoller in unserer kleinen, trügerischen Sicherheit, je mehr wir uns zuvor gegruselt haben. Die Freude am Grusel scheint natürlich zu sein.

Und die Freude am Andere-Erschrecken kennen schon kleine Kinder. Als meine Kinder noch klein waren, haben sie ständig versucht, uns zu erschrecken. Sie sprangen hinter Ecken hervor, aus Büschen, sie brüllten: Hu! Und nichts konnte sie mehr befriedigen, als wenn wir wirklich kurz zusammenzuckten, wenn sie es wirklich geschafft hatten, unsere Sicherheit zu erschüttern.

Als Erwachsener dagegen versucht man eher selten, ein kleines Kind zu erschrecken. Das liegt am umgekehrten Machtverhältnis, das Interesse daran, für einen solchen Schreckmoment die Macht über eine Situation auszuüben, das Kind dem eigenen Einfluss auszusetzen, über seine Gefühle zu herrschen, ist relativ gering. Sowieso hat man als Eltern ja schon diesen Einfluss, diese Macht. Wie leicht ist es einem Erwachsenen, ein Kind zu erschrecken. Wie schal der Triumph!

Zurzeit, so kurz vor Halloween, sind die Warenhäuser voll von grusligen Dekoelementen und Kostümen. Es ist also ein Einfaches, sich eine grässliche Clownsmaske zu besorgen, sie sich überzustülpen, in einer niedersächsischen Kleinstadt rumzurennen und Leute zu erschrecken.

Was aber sind das für Menschen, die eben jetzt darauf gekommen sind, wo sie aus den Nachrichten erfahren haben, dass auch anderswo gruslige Clowns Angst und Schrecken verbreitet und tatsächlich auch Verbrechen verübt haben? Die sich also deren Taten noch zusätzlich zur Gummimaske, also als imaginäre Schreckensmaske, überstülpen?

Es sind Jugendliche, die noch keinen festen Platz in der Welt haben, die sich unterlegen fühlen, wie das Kind gegenüber den Eltern. Es sind Erwachsene, denen es leider immer noch so geht, die es einfach nicht schaffen, durch ihre Tätigkeiten eine für sie befriedigende Außenwirkung zu erlangen. Es erfordert weder Fantasie noch Intelligenz, jetzt bei Karstadt eine Maske zu kaufen und mit einer Kettensäge rumzurennen, es ist ein bloßes Nachäffen.

Es entspringt nichts anderem als der kindlichen Sehnsucht, jemand Wichtigerer zu sein, nicht der Unbedeutende, der man sonst ist. Jemand, der andere Menschen auf irgendeine, und sei es auch auf diese vollkommen beknackte Art, interessiert. Sie, in welcher Richtung auch immer, bewegt.

Wer spürt solches Verlangen? Der, für den sich sonst niemand interessiert, oder der sich jedenfalls so wahrnimmt, der unzufrieden mit seiner eigenen Wirkung in der Welt ist. Der, der immer noch fühlt wie ein Kind gegen die Welt. Ein Wicht. Ein Mensch, der in seiner sozialen Entwicklung nicht über das fünfte Lebensjahr hinausgekommen ist, der sich so unterlegen dünkt, dass er keine Verantwortung für andere fühlt. Er fühlt die schwächere Variante einer Art (Rache-)Lust, die auch Heckenschützen empfinden müssen. Die Lust, des im Leben Unterlegenen, wenn nicht Achtung und Liebe, wenigstens Angst und Schrecken in anderen zu erwecken.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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