: Erzählte Verwandlungen
Schwer thront St. Stephani auf seiner Düne, doch Felix Dohmen hat den mächtigen Kirchenkörper mit Leichtigkeit gefüllt
Still lächelnd blickt der Gipskopf in den Raum, auf seinem Kopf balancieren lange Samenschoten. So klar und perfekt gearbeitet wie dieser masive Kopf ist nichts sonst, was in seinem Blickfeld liegt. Denn in St. Stephani wohnt derzeit eine Gesellschaft eher schrundiger Gestalten – auf denen der Zauber einer leichten Verwandlung liegt.
Der Kölner Felix Dohmen, seit knapp drei Jahren in Bremen, zeigt hier zum ersten Mal eine Gesamtschau. Und die ist, für eine Einzelausstellung, ausgesprochen vielfältig. Objekte, Plastiken und Bilder füllen das Querschiff, gucken sich an – und erzählen. Aus den Resten eines Paderborner Taubenschlags hat Dohmen Rahmen und Drahtstäbe gewonnen. Sie lassen das poröse Gemäuer durchscheinen und bilden gleichzeitig kleine Bühnen, auf denen sich Drahtenden oder Pflanzenreste eingefunden haben, als Akteure skurriler Alltagsgeschichten. Fester Bestandteil in Dohmens Arbeiten sind die farbenfrohen Stoffreste. Im Senegal hat er sie aus dem Sand gezupft und dann den anderen Fundstücken angefügt. Jetzt schmiegen sich die Muster an Mauerbrocken und Holz, vitalisieren, verfremden und bilden einen bunten Faden von Objekt zu Objekt.
Es ist erstaunlich, wie gut sich die Dohmen’sche Kunst im Kirchenschiff behauptet. Wie sie eigene Stimmen in den Raum sendet, sich weder von der erbarmungslos großen Orgel noch vom sonstigen Inventar erdrücken lässt. Denn St. Stephani, im 13. Jahrhundert auf die nordwestlichste der Bremer Dünen gebaut, hat eine komplexe Raum-Aufgabe gestellt. Karge hohe Decken, von denen gewaltige Barock-Lüster wie satte Vögel baumeln, kämpfen mit kleinteiligem Bodenparkett.
Dass die Ausstellung hier so gut funktioniert, liegt ebenso an der Präsenz der Objekte wie an einer sehr gelungenen Raumkomposition. Quer durch die Vierung der Kirchenschiffe hat Dohmen eine Diagonale gelegt, um die wiederum Stelen aus dem Boden ragen. Eingesägte Steinblöcke trennen sie vom Boden, vielverwendete Hölzer werden in ihnen zu Figuren – wie der „Elefant“, montiert aus den Kufen eines Schaukelstuhls.
Sie alle fokussieren auf die Raummitte, sind Beobachter der jeweils anderen – bis auf die verbrannte Planke an der Wand. Ihre schlanke Silhouette starrt in den groben Putz der Kirchenwand, scheint das verhaltene Lächeln des Jünglingskopfes am anderen Ende weiter zu transportieren bis mitten ins Mauerwerk.
Wann geht man „mit einem Lächeln auf dem Kopf durch die Wand“, wie der Ausstellungstitel verheißt? „Wenn etwas sehr leicht passiert, das eigentlich gar nicht geht“, sagt Felix Dohmen.
Leichtigkeit, die Suche nach ihr: Offenbar ein Grundthema seiner Arbeiten. Auf der Leinwand geht der 37-Jährige den Weg durch zig Übermalungen, bis er die beglückende Sparsamkeit und Prägnanz hergestellt hat, die er in manchen Schuttcontainern ad hoc findet. Wenn etwas Farbe, etwas Stoff dem rohen Material zur Balance zwischen Gestaltheit und eigener Sprache verhilft. Und diese Sprache ist stark. Henning Bleyl
Zu besichtigen dienstags, donnerstags und samstags zwischen 15 und 18 Uhr, sonntags von 11.30 bis 13 Uhr. Zur Finissage am 17. August ist eine Performance von Felix Dohmen in der Ausstellung zu erleben (11.30 Uhr)