Erste Frauensenatorin gestorben: "Dass ich mutig bin, wusste ich"
Sie war parteilos, lebte offen lesbisch und kämpfte als erste Frauensenatorin Berlins für die Gleichberechtigung. Am Samstag ist die streitbare Rechtsanwältin Anne Klein gestorben.
Den Frühling wollte Anne Klein noch einmal erleben. Die blühenden Bäume. Der Geburtstag. Das Meer. Und dann, im Sommer, die Provence. Es war, als stünde ihr Wille auf der einen Seite des Lebens, der Krebs, der in ihr wütete, auf der anderen. Eine Zeitlang schien die streitbare Rechtsanwältin und erste Frauensenatorin Berlins stärker.
Ihren 61. Geburtstag am Meer - sie hat ihn gefeiert. Das Fest Anfang März, die Musik der Brandung, die raue Luft, die Wärme der Menschen - "es hat mir Kraft gegeben", mailte sie. Auch den Frühling, die Blumen, das unaufhaltsame Drängen der Natur: Sie hat es, trotz großer Erschöpfung, noch voll Freude gespürt. Nicht so die Provence, der Wunsch war zu groß. Am Ostersamstag ist Anne Klein gestorben.
Sie gehört jener Generation an, die ein Tabu nach dem anderen brechen musste, um die Bundesrepublik aus ihrer Nachkriegsstarre zu holen. Als die gebürtige Saarländerin 22-jährig nach Berlin zieht, nimmt die neue Frauenbewegung dort gerade Kontur an. Dass Politik, Wirtschaft, Wissenschaft nahezu ausschließlich von Männern domiert sind, dass Vergewaltigung und Missbrauch als Kavaliersdelikte gelten, dass die Gesellschaft auf die Doppelbelastung der Frauen und ungleichen Lohn ausgerichtet ist, dass alleinerziehende Mütter und lesbische Frauen mit Stigmata leben - all das sollte angeprangert werden.
Klein kämpft zusammen mit anderen Frauen für Frauenhäuser, gründet eine feministische Anwaltskanzlei, erarbeitet eine Rohfassung des Antidiskriminierungsgesetzes und wird 1989 als Parteilose für die Grünen zur ersten feministischen und offen lesbisch lebenden Senatorin für Jugend, Frauen und Familie ernannt. Als Senatorin und später auch als Präsidentin eines Versorgungswerkes der Rechtsanwälte leistet sie Pionierarbeit - auch gegen Diskreditierungsversuche der Springer-Presse.
Denn Klein hatte vor ihrer Zeit als Senatorin an einem nach dem Kettenbriefprinzip funktionierenden Pilotenspiel mit Geldeinsatz teilgenommen und ein paar tausend Mark gewonnen, die sie dem Frauenhaus spendete. "Zocker-Zora" nannte die Springer-Presse sie. Wer die Gesellschaft modernisiere, müsse mit Gegenwind rechnen, sagte Klein in ihrem letzten Gespräch mit der taz vor zwei Monaten, in dem sie über das Leben spricht, obwohl der Tod schon dazu gehört. "Dass ich mutig bin, das wusste ich."
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