: Erst mal aufräumen, dann neu kochen
Weil der aktuelle Haushalt verfassungswidrig ist, sind auch die Beratungen über den künftigen Landesetat gestoppt. Eine „Grundsatzdebatte“ soll nun klären: Was darf sich Berlin noch leisten?
von RICHARD ROTHER
Nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum aktuellen Haushalt werden die Beratungen über den kommenden Doppelhaushalt 2004/2005 ausgesetzt. Zunächst solle ausführlich über Konsequenzen des Urteils des Berliner Verfassungsgerichtshofs debattiert werden, sagte die SPD-Haushaltsexpertin Iris Spranger gestern. Dazu werde es morgen eine „Grundsatzdebatte“ im zuständigen Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses geben. Außerdem werde die für Freitag geplante zweite Lesung von Einzeletats verschoben. Das weitere Verfahren sei derzeit noch offen, sagte Spranger.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will den Haushalt wie geplant aber noch in diesem Jahr verabschieden.
PDS-Haushaltsexperte Carl Wechselberg nannte gestern eine Grundsatzdebatte notwendig. Dies gebiete das „einschneidene Urteil“ des Gerichts. Auch die Opposition sei nun gezwungen, Vorschläge zu unterbreiten. Einzelmaßnahmen zu kritisieren reiche nicht. Zu CDU-Forderungen an den Senat, mehr Polizeischüler zu übernehmen, sagte er: Die Verfassung verlange vom Land die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Diskutabel sei aber, wie viele Polizisten gebraucht würden.
Das Landesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche festgestellt, dass der laufende Haushalt gegen die Verfassung verstößt. Grund: Die Neuverschuldung Berlins übertrifft mit 10 Milliarden Euro die Summe der Investitionen, 4 Milliarden Euro, bei weitem. Fraglich ist nach dem Urteil auch, ob Berlin weiter Leistungen – etwa bei der Kitaversorgung – anbieten darf, die über das bundesgesetzlich vorgeschriebene Niveau hinausgehen. Bei Kitas hieße das: Kinder werden nur noch vier bis sechs Stunden täglich betreut.
CDU-Landesschef Joachim Zeller sagte, „die klügsten Köpfe des Landes“ machten sich längst Sorgen über die Finanzsituation Berlins. „Nach dem Urteilsspruch muss jetzt der gesammelte Sachverstand der Freunde der Hauptstadt in der gesamten Republik versammelt werden“, um einen „erneut verfassungswidrigen Haushalt zu verhindern“.
Die Grünen wollen den Doppelhaushalt 2004/2005 erst im Januar im Parlament verabschieden. Die künftige Finanzplanung müsse gründlich überarbeitet werden, so der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Jochen Esser. Die aufgeführten Maßnahmen und Begründungen seien unzureichend. Durch eine Verschiebung könnten zudem die bundesweiten Veränderungen durch die Steuerreform, die Gemeindefinanzreform und das Arbeitslosengeld II in den Haushalt eingearbeitet werden.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di besteht trotz Haushaltssperre darauf, die zugesicherten Verbesserungen im pädagogischen Bereich umzusetzen. Ver.di forderte, die vereinbarten 388 neuen Stellen in Kitas und Schulen müssten in jedem Fall eingerichtet werden. Das sei Bestandteil des Vertrags mit den Gewerkschaften. Sollte der Senat anders entscheiden, will Ver.di gerichtlich dagegen vorgehen.