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Erneuerbare EnergieViel Wind um wenig

Am Stadtrand Berlins soll ein zweites Windrad gebaut werden. Grüne begrüßen das, Experten schreiben dem Projekt eher Symbolwert für Energiegewinnung zu.

Aus eins mach zwei: Berlin soll künftig doppelt so viele Windräder haben. Bild: ap

In Berlin soll ein zweites Windrad gebaut werden. Derzeit laufe das Genehmigungsverfahren, sagte der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Neue Energie Berlin GmbH, Frank Vach, am Donnerstag der taz. Mit einem Abschluss werde in diesem Halbjahr gerechnet. Die Anlage solle in Lichtenberg an der Bundesstraße 2 unweit der Landesgrenze zu Brandenburg gebaut werden. Typ und Kapazität sollen der des ersten Rads entsprechen. Die Umweltverwaltung bestätigte, dass ein entsprechender Antrag vorliege. Nun würden Stellungnahmen weiterer Behörden abgewartet.

Das erste, 3,4 Millionen Euro teure Windrad war 2008 in Pankow angelaufen. Es hat eine Leistung von 2 Megawatt und ist 180 Meter hoch bei einem Rotordurchmesser von 82 Metern. Derzeit liefert es laut Geschäftsführer Vach 5.000 Megawattstunden im Jahr - was etwa dem Bedarf von 1.250 Haushalten entspricht. Dem Bau vorausgegangen waren massive Proteste von Bürgerinitiativen und Naturschützern. Letztere hatten vor Gericht gegen das Windrad geklagt. Ihr Argument: Die Anlage liege mitten in der Flugroute des einzigen Berliner Rotmilan-Paares. "Der Rotmilan pendelt genau an dieser Stelle zwischen seinem Brutgebiet in Buch und seiner Nahrungssuche an den Karower Teichen", sagt die Sprecherin des Nabu Berlin, Anja Sorges. Vor Gericht erlitt der Verband eine Niederlage.

Drei Jahre nach Inbetriebnahme des Rads geht es dem Vogelpaar offenbar gut. "Der Rotmilan scheint auszuweichen", sagt Sorges. Sie hält dies für einen Glücksfall; zu den intelligentesten Vögeln zähle der Rotmilan nämlich nicht, und in anderen Bundesländern gebe es generell große Probleme mit Vögeln und Windrädern.

Das geplante zweite Windrad sieht der Nabu entspannter. Das Gelände sei unbedenklich, sagt Sorges. Schon bei der ersten Planung habe der Verband für eine Anlage in dieser Gegend plädiert. "Wir sind nicht generell gegen Windkraft, wir hätten uns nur einen anderen Standort für das erste Windrad gewünscht", sagt Sorges.

Der Beitrag erneuerbarer Energien zur lokalen Stromerzeugung ist bisher überschaubar: 1 Prozent kommt aus Sonnen- und Windkraft. Den größten Anteil liefert die Kohle; so produziert das Vattenfall-Kraftwerk Klingenberg jährlich 650.000 Megawattstunden Strom - 130-mal so viel wie das Windrad.

Folglich ist auch die Bedeutung der womöglich bald zwei Windräder zur Energiewende umstritten: Die Grünen haben unlängst gefordert, Eignungsgebiete für Windenergie in Berlin zu erkunden. "Die Verzehnfachung der Windenergienutzung in Berlin ist kein unrealistisches Ziel, denn in zehn Jahren hat Rot-Rot nur ein einziges Windrad genehmigt", heißt es in einem Fraktionspapier. Der energiepolitische Sprecher Michael Schäfer widersprach Aussagen der CDU-Fraktion, gegen den Bau des ersten Windrads mobilgemacht zu haben. Er sieht in der Windenergie denn auch einen substanziellen Beitrag zur lokalen Energieversorgung. "Natürlich ist Berlin kein Windland", sagte er. "Es geht aber darum, das möglich zu machen, was möglich ist."

Während die FDP der Meinung ist, dass Windenergie gar nicht nach Berlin passe, sieht der Leiter der Abteilung Energie-Systeme an der Technischen Universität das Projekt zumindest kritischer. "Ein Windrad in Berlin, das ist reine Deko", sagt Georg Erdmann. Wenn eine Anlage Strom für gut 1.000 Haushalte liefere, sei das nicht relevant für die Stromversorgung. "Wir brauchen nicht noch zusätzliche Windenergie, sondern einen Ausbau der Netze", so Erdmann. "Jede neue Windanlage verschärft im Moment nur das Netzproblem."

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8 Kommentare

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  • HP
    H. P. Petersen

    Irreführender Bericht!

    Das Windrad liefert Strom für 1250 Haushalte?

    Wenn dieses Windrad im Jahr 5000 MWh liefert, dann erzeugt es 2500 Std./Jahr Strom. Folglich hätten diese Haushalte im Jahr 2500 Std. Strom und 6260 Std. keinen Strom. Wobei diese 2500 Std. schon ein sehr guter Wert für ein Windrad sind. Sinnvoll einsetzbar ist so eine Technologie nur bei ganzheitlicher Planung mit entsprechenden Ersatzkraftwerken für die windlose Zeit.

    Nur: Diese Planung ist eben nicht gerade die Stärke skrupelloser Lobbyisten, die hinter populistisch vorgetragenen Öko-Parolen nur die wirtschaftlichen Interessen ihrer Hintermänner zu Lasten der Bürger durchsetzen wollen. Eine echte Energiewende sähe anders aus. Da wäre zuerst mal der tatsächliche Bedarf zu ermitteln und dieser dann durch geeignete Quellen zu decken.

  • B
    Basta

    500m von unserem Haus entfernt steht ein Windrad, der Lärm ist immens, sobald der Wind geht. Tag und nacht dieses Pfeifen. Ich bin gegen Atomkraft, aber diese Windräder sind auch keine Lösung !!

  • E
    EnzoAduro

    Ganz ehrlich: Was ist wichtiger: Strom für 1000 Leute oder ein Rotmilanpaar. Ich finde 1000 Menschenfamilien.

     

    Abgesehen davon passen Windräder gut nach Berlin, da hier die Nachfrage ist, transportprobleme sollte es nicht geben. Abgesehen davon gibt es meines Wissens viele Gaskraftwerke.

     

    Natürlich muss immer geschaut werden wo es genug windet.

     

    Ich finde man sollte die gigantischen Berliner Forste zupflastern, falls es dort windet.

  • L
    lupo

    liebe Frau Pezzei, man wundert sich ja, wo Sie das her haben:

    Gegen das erste Windrad gab es keine einzige Bürgerinitiative und schon gar keine "massiven Proteste". Von sieben Berliner und Brandenburger Umweltverbänden war ein einziger - der NABU - gegen den Standort, und zwar nicht, weil der Rotmilan auf Futtersuche da hin und her fliegt, sondern einzig und allein, weil er seinen Horst in drei Kilometer Entfernung hat, und der Greifvogel"experte" des NABU (Altenkampp) im Auftrage des Senates den notwendigen Abstand mal eben auf fünf Kilometer festgesetzt hatte - anstatt einem Kilometer, wie in allen anderen Bundesländern. Vor Gericht konnte der NABU nicht erklären, warum von 6 Brutpaaren 1990 2008 nur noch eins übrig war - ganz ohne Windräder.

    Der Senat selbst hat in einer eigenen Studie ermitteln lassen, daß in Berlin - problemlos - 25 große Windräder gebaut werden könnten; und dann hat die zuständige Verwaltung diese Studie in der Schublade versteckt.

  • F
    FAXENDICKE

    Da wird mal wieder auf die Meinung der BürgerInnen geschissen. Einfach traurig! Warum nicht eine Volksbefragung ob Windkrafträder gebaut werden sollen oder nicht? Oder hat die Windkraft Lobby was dagegen?

     

    Der erste Beitrag stammt nicht von mir, da schreibt noch jemand unter meinem Nickname!

  • D
    dejot

    Leider kann ein Windrand eben keine 1000 Haushalte versorgen, da der Wind nicht immer weht.

     

    Hat jemand schonmal etwas von insektenfreundlicher Baustellenbeleuchtung gehört? Gibt es wirklich!

  • R
    Rainer

    Prof. Dr. Georg Erdmann, Fachgebiet Energiesysteme meint "Jede neue Windanlage verschärft im Moment nur das Netzproblem."

    Auch wenn der Strom genau da produziert wird, wo er verbraucht wird? Oder will der Herr, der im Braunkohle-Forum ein Hohelied auf die zweitdreckigste Energieform singt, nur nicht die 1250 Haushalte für sein Monopol verlieren?

    http://de.wikipedia.org/wiki/Dezentrale_Stromerzeugung

  • F
    FAXENDICKE

    Da verhungern täglich zwanzigtausend bis dreissigtausend Menschen weltweit, während bei uns Prozesse über Pendelrouten von Rotmilanen geführt werden. Unfassbar!