Ermittlungen zum NSU: Suche nach rechten Terrorhelfern
Die Polizei durchsucht in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg Wohnungen. Zwei der Verdächtigen stammen aus dem verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerk.
BERLIN/HAMBURG | Die Zahl der mutmaßlichen Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vergrößert sich weiter. Am Mittwoch haben etwa 110 Polizisten in mehreren Bundesländern Wohnungen und Geschäfte durchsucht, darunter in Chemnitz, Dresden und im Erzgebirge, außerdem in Ostthüringen und im Großraum Stuttgart.
Inzwischen beschuldigt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe elf Personen, die rechtsextreme Terrorgruppe unterstützt zu haben - vier mehr als bisher.
Zwei der Beschuldigten sollen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe schon 1998 Sprengstoff und eine Schusswaffe zur Verfügung gestellt haben, so die oberste Anklagebehörde in Karlsruhe - diese Taten sind allerdings schon verjährt. Doch die Bundesanwaltschaft hat den Verdacht: Auch danach könnten sie den NSU im Untergrund zumindest logistisch unterstützt haben.
Die beiden weiteren neuen Beschuldigten sollen den Mitgliedern des NSU in den Jahren 2002 und 2003 mehrere Schusswaffen verschafft haben. Sie sollen bisher unbekannte Kontaktpersonen eines bereits Ende November festgenommenen mutmaßlichen NSU-Unterstützers gewesen sein.
Pumpgun für den Untergrund
Unter den Waffen, die die zwei dem Neonazitrio im Untergrund verschafft haben sollen, sei auch eine Pumpgun gewesen, so die Bundesanwaltschaft. Zwei solcher Schrotflinten wurden im Wohnmobil gefunden, in dem sich Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 in Eisenach nach einem Banküberfall selbst erschossen.
"Heute ging es um das Auffinden von Beweisen für die Lieferung von Waffen", begründete Generalbundesanwalt Harald Range die Razzia. Festgenommen wurde niemand. Es sei eine der "vordringlichsten Aufgaben, den Kreis der Unterstützer des NSU umfassend zu ermitteln", so Range. "Auf dem Wege dahin sind wir in den letzten Wochen erheblich vorangekommen."
Die Ermittler scheinen nun vor allem die Überbleibsel des im September 2000 verbotenen militante Neonazinetzwerks "Blood & Honour" ins Visier zu nehmen.
Nach taz-Informationen wurden als Teil der Razzia auch die Wohnungen von zwei ehemaligen Mitgliedern von "Blood & Honour" aus Sachsen durchsucht - Jan W. und Thomas S.
Schon im August 1998, kurz nachdem Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe untertauchten, hatte es Hinweise gegeben, dass das Trio aus diesem Umfeld heraus im Untergrund unterstützt werden könnte. In dem Zusammenhang hatte der sächsische Verfassungsschutz damals Jan W. und weitere Neonazis aus dem "Blood & Honour"-Netzwerk observiert, wie der Innenminister des Landes vor kurzem intern berichtete. Bis 2002 habe es "zum Teil sehr intensive Maßnahmen" gegeben. Gebracht haben sie nichts.
"Landser"-Helfer
Doch der nun ins Visier geratene Neonazi Jan W. war nicht nur Teil von "Blood & Honour", sondern half im Jahr 2000 auch der später als kriminelle Vereinigung eingestuften Neonaziband "Landser" bei der Produktion und beim Vertrieb der CD "Ran an den Feind". In einem der Songs auf der Platte hieß es: "Terroristen mit E-Gitarren, neue Anschläge sind schon geplant." Der konspirativ vertriebenen CD lag damals ein Schreiben bei, das mit den Worten endete: "Alles für Deutschland. Heil Hitler!"
Ob man Jan W. und Thomas S. aber im Zusammenhang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" strafrechtlich etwas wird nachweisen können, ist ungewiss.
Die rechtsextreme Terrorgruppe NSU hat zwischen September 2000 und April 2007 acht türkisch- und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin ermordet. Außerdem hat die Neonazibande im Januar 2001 und im Juni 2004 in Köln Bombenanschläge verübt. Zur Finanzierung des Lebens im Untergrund überfielen die Rechtsextremen eine Reihe von Banken in Ostdeutschland.
"Strafrechtlich bewerten wir das derzeit als Bildung einer terroristischen Vereinigung, Mord in zehn Fällen, ein versuchter Mord, zwei Sprengstoffanschläge und drei Fälle der schweren räuberischen Erpressung", sagte Generalbundesanwalt Range.
Vier mutmaßliche Unterstützer des NSU sitzen bereits seit einigen Wochen in Untersuchungshaft. Ebenso die einzige Überlebende des Terrortrios, Beate Zschäpe. Die 37-Jährige schweigt nach wie vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen