Ermittlungen zum Karlsruher Geiseldrama: Waffen möglicherweise legal
Nach dem Geiseldrama mit fünf Toten ermittelt die Polizei weiter. Zeugen hörten Schussgeräusche schon am Vortag. Der Täter war möglicherweise in Frankreich als Jäger registriert.
KARLSRUHE dapd | Nach dem blutigen Geiseldrama in Karlsruhe mit fünf Toten versuchen die Ermittler, die Abläufe und Hintergründe der Tat aufzuklären. Von einer Obduktion der Leichen erhoffen sich die Beamten genaue Aufschlüsse zu der Todesursache des Täters und seiner vier Opfer.
Die Obduktion soll am Freitag am rechtsmedizinischen Institut der Universität Heidelberg erfolgen, wie ein Polizeisprecher sagte. Ursprünglich war die Untersuchung bereits für Donnerstag geplant.
Am Mittwoch stürmte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in der ein 53-Jähriger zunächst vier Menschen als Geiseln nahm - drei von ihnen erschoss er, einen Sozialarbeiter ließ er frei. Anschließend tötete der Täter sich selbst.
Auch seine Lebensgefährtin und ehemalige Inhaberin des Appartements lag erschossen auf dem Bett im Schlafzimmer. Die Wohnung sollte zwangsgeräumt werden. Zu den Todesopfern zählen der Gerichtsvollzieher, der neue Wohnungsinhaber und ein Bediensteter einer Schlüsselfirma.
Schüsse oder Fehlzündung
Die Polizei schließt nicht aus, dass die Frau bereits am Vortag von ihrem Lebensgefährten durch einen aufgesetzten Brustschuss getötet wurde. Auch diese Frage werde in die Obduktion mit einfließen, sagte der Polizeisprecher. Zeugen hätten angegeben, bereits am Vortag schussähnliche Geräusche gehört zu haben, es könne sich aber auch um einen Sektkorken oder eine Fehlzündung gehandelt habe. Die Polizei sei darüber nicht informiert worden.
Geklärt werden soll mit der Obduktion ebenfalls, wie stark der Geiselnehmer unter Alkoholeinfluss stand, wie der Sprecher weiter sagte. Der Täter soll vor der Tat immer wieder Bier getrunken haben.
Indes ging am Donnerstag die Spurensuche am Tatort in der Karlsruher Nordstadt weiter. Die Beamten durchsuchten noch einmal die Wohnung. Unklar sei bislang noch die Herkunft der Waffen, die der Geiselnehmer bei sich hatte, sagte der Sprecher. Darunter befanden sich eine Schrotflinte, ein "Gewehr mit einem langen Magazin", zwei Pistolen, große Mengen Munition und eine Übungshandgranate.
Polizei prüft Mitgliedschaft des Täters in Jagdverband
Weil der Täter französischer Staatsangehöriger war, wollen die Ermittler auch der Frage nachgehen, ob er Mitglied des Jagdverbandes in Frankreich war und so legal an die Waffen kam. Dazu sei Kontakt aufgenommen worden mit dem Gemeinsamen Zentrum der deutsch-französischen Polizei in Kehl. Er hatte seinen Wohnsitz zuletzt im Elsass, lebte aber offenbar bei seiner Lebensgefährtin in Karlsruhe, wie der Sprecher sagte.
Der bei der Geiselnahme getötete Schlosser war offenbar zufällig am Tatort. Der 33-Jährige sei nur eingesprungen, sagte ein Freund der Bild-Zeitung. Der Mann hinterlässt dem Blatt zufolge eine hochschwangere Frau und zwei Kinder. Das dritte Kind soll in der nächsten Woche zur Welt kommen.
Auch der erschossene Gerichtsvollzieher war Familienvater. Der 47-Jährige wurde wie der neue Wohnungsbesitzer von dem Täter regelrecht hingerichtet. Beide Männer waren gefesselt und wurden mit Kopfschüssen getötet. Die Staatsanwaltschaft geht von einer geplanten Tat aus und sprach von Mord in vier Fällen. Der Geiselnehmer nahm sich selbst durch einen Kopfschuss mit einer Schrotflinte das Leben.
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