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Ermittlungen gegen Hannovers OBDer Optimist

Noch hält sich Stefan Schostok (SPD) an der Spitze des hannoverschen Rathauses. Einen Rücktritt schließt er aus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue gegen ihn.

Sieht keinen Grund, das Amt, für das er gewählt wurde, ruhen zu lassen: Stefan Schostok Foto: dpa

HANNOVER taz | Optimismus hin oder her. Aber was Stefan Schostok, der Oberbürgermeister von Hannover, vergangene Woche in einem Fernsehinterview gesagt hat, muss geflunkert gewesen sein. „Ich komme jeden Tag mit großer Freude ins Rathaus“, sagte der SPD-Politiker.

Ein Schostok, der in den vergangenen Wochen immer fröhlich über die große steinerne Treppe im Neuen Rathaus zu seinem Büro schlenderte? Auch dann noch als ebendieses, genau wie seine private Wohnung, von der Staatsanwaltschaft durchsucht wurde? Der Verdacht der Untreue gegen ihn öffentlich wurde? Und der Druck immer weiter stieg? Schwer vorstellbar.

Aber Schostok gibt sich betont optimistisch – will zeigen, dass er die Vorwürfe gegen sich aufklären will. Wenn er im Amt bleiben will, muss er beweisen, dass er mit den rechtswidrigen Gehaltszuschüssen an zwei leitende Beamte nichts zu tun hatte. Einer davon war sein Büroleiter. Ein Mann aus dem engsten Umfeld Schostoks also.

Und die Zweifel werden auch nach einem Bericht des Politikjournals Rundblick immer größer. Das hatte berichtet, dass sich Schostok persönlich im Innenministerium für eine bessere Bezahlung eines Beamten eingesetzt haben soll, die heute als rechtswidrig gilt.

Ratssitzung zur Rathaus-Affäre

In der Ratssitzung am Donnerstag brachten Piraten, Linke und die Partei das Thema Rathaus-Affäre auf die Tagesordnung. „Die Menschen außerhalb dieser geheiligten Hallen können das schon lange nicht mehr nachvollziehen und wenden sich angewidert von diesem Geschacher um Höherdotierung und Pöstchen ab“, sagte der Ratsherr Dirk Machentanz (Linke). Es gelte, der Affäre ein Ende zu bereiten.

Julian Klippert von der Partei forderte von Schostok: „Räumen Sie Ihren Tisch und treten Sie vom Posten des Oberbürgermeisters zurück.“ Er habe seine Verwaltung nicht im Griff.

Schostok selbst gab eine lange Erklärung ab: „Ich habe bis August, September 2017 nicht gewusst, dass die Zahlung einer Zulage an Beamte mit einer B-Besoldung unzulässig sei.“ Er sei sicher, dass sich die Vorwürfe bald aufklären würden. „Das ist der Grund, warum ich weiterhin meinen Pflichten nachkomme und die Amtsgeschäfte führe“, sagte Schostok.

Zuhören, Lächeln, Hände-Schütteln

Im politischen Hannover sind über den Oberbürgermeister, der sich auch selbst als „OB“ abkürzt, Worte wie „nett“, „immer freundlich“ und „ein bisschen naiv“ zu hören. Als Machtmensch und Stratege gilt der 54-jährige Sozialpädagoge nicht.

Schostok ist einer, der sich Zeit nimmt bei öffentlichen Auftritten. Der zuhört und auch dann noch lächelt und Hände schüttelt, wenn er zum wiederholten Mal semibrillianten Witzchen beim Treiben eines Karnevalsvereins in Hannover lauscht.

Nur direkt nach der Razzia im Rathaus tauchte er ab und ließ durch seinen Pressesprecher schriftliche Statements verbreiten. Einen Rücktritt oder nur einen längeren Urlaub solange die Ermittlungen laufen, wie es sogar die Koalitionspartner Grüne und FDP forderten, schließt er für sich aus.

Mamas Glückskind

„Daran ist überhaupt nicht zu denken. Ich stehe da, mache den Rücken gerade und arbeite weiterhin so fleißig, strukturiert und voll innerer Willenskraft“, sagte Schostok ein paar Tage nach seinem Abtauchen in besagtem Fernsehinterview, um dann aus den Erinnerungen seiner Mutter zu zitieren: „Ich bin mit einem riesigen Schuss Optimismus auf die Welt gekommen. Andere haben geweint als sie geboren wurden, ich habe schon da gelacht.“

Schostok ist seit 2013 Oberbürgermeister und dort der Nachfolger von Ministerpräsident Stephan Weil. Eigentlich haben die Stef/phans geswitcht. Schostok war von 2010 bis 2013 Fraktionschef der SPD im niedersächsischen Landtag. Weil wechselte aus dem Rathaus in die Landespolitik.

Der Weg zu einer solchen Karriere in der SPD wird Schostok nach dieser Affäre wohl nicht offen stehen. Er muss vielmehr darum kämpfen, dass er überhaupt Oberbürgermeister bleiben kann.

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